Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts ein Dämon in deine einsamste Einsamkeit nachschliche und zu dir sagte: Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues darin sein, sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und Seufzer und alles unsäglich Kleine und Große deines Lebens muss dir wiederkommen, und Alles in derselben Reihe und Folge – und ebenso diese Spinne und dieses Mondlicht zwischen den Bäumen, und ebenso dieser Augenblick und ich selber …
Dieser Gedanke Nietzsches ist nur eines von vielen philosophischen Zitaten, die Yalom in seinem Buch erörtert, um mit dem menschlichen Grundproblem zurande zu kommen, dass wir alle irgendwann sterben müssen. Yalom ist ein erfolgreicher amerikanischer Psychotherapeut und zugleich Romanautor, doch sein Buch »In die Sonne schauen: Wie man die Angst vor dem Tod überwindet« unterscheidet sich von den meisten Psycho-Selbsthilfebüchern durch seinen Ansatz, den er existentielle Psychotherapie nennt. Damit meint er, dass er nicht so sehr Verhaltens- und Denkmuster, Familienstrukturen, Traumata oder ähnliches als Ursache für psychische Probleme des Menschen betrachtet, sondern die conditio humana an sich, die unabänderlichen Gegebenheiten des menschlichen Daseins. Und in diesem Buch konzentriert er sich auf die schwerwiegendste davon, die Endlichkeit des menschlichen Lebens.
Yalom erörtert im Laufe seines Buches verschiedene Ansätze, wie man mit der Angst vor dem Tod umgehen kann, von den antiken griechischen Philosophen bis hin zu Nietzsche. Er beschreibt zahlreiche Fälle, die ihm in seiner eigenen Tätigkeit als Psychotherapeut untergekommen sind und erklärt in einem biographischen Kapitel die Rolle der Todesangst in seinem eigenen Leben. Nie erhebt er den Anspruch, ein Patentrezept oder eine Lösung zu haben.
»In die Sonne schauen« ist dabei auch für Leser interessant, die gar kein Problem mit Todesangst haben, denn zum einem zeigt Yalom, wie viele Probleme mit vermeintlich anderen Ursachen letztlich doch auf Todesangst zurückzuführen sind. Und zum anderen macht er dem Leser durch dieses Buch bewusst, welche Dinge im Leben wirklich wichtig sind und dass man dem Problem des Todes am effektivsten begegnet, indem man die Zeit davor so gut lebt wie möglich.
Irvin D. Yalom: In die Sonne schauen | Deutsch von Barbara Linner
btb 2008 | 272 Seiten | Jetzt bestellen