Um seine koreanischen Sprachkenntnisse weiterzuentwickeln, übt mein Sohn auch das Lesen in der Landessprache seiner Frau. Zur Freude meiner fünfjährigen Enkeltochter, die sich jeden Abend auf eine Geschichte in ihrer zweiten Muttersprache freut. Mit spielerischer Leichtigkeit übersetzt sie das Gehörte ins Deutsche.

Überall, wo gesprochen, geschrieben, gelesen oder gar gesungen wird, sind Übersetzter beteiligt, seien sie auch noch so jung. Ihnen verdankt es die Welt, dass Informationen und Wissen von anderen Menschen aufgenommen werden können. Für die Entwicklung der Sprachen der Völker und des kulturellen sowie wissenschaftlichen Fortschritts ist die Tätigkeit der Übersetzer ebenso von großer Bedeutung wie für das vereinte Europa – unentbehrlich in mehrsprachigen Ländern wie Kanada oder die Schweiz.

Am 30. September, dem Internationalen Übersetzertag, im deutschsprachigen Raum auch »Hieronymustag« genannt, wird alljährlich während zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen die Aufmerksamkeit auf die Branche gerichtet und die Bedeutung verständlicher Sprache ins Bewusstsein gerückt. An diesem Tag stehen die Personen im Mittelpunkt, die mit ihrer Arbeit hinter einer Übersetzung stehen. Der Verband der deutschsprachigen Übersetzer ehrt anlässlich dieses Tages alle zwei Jahre einen hervorragenden Literaturübersetzer mit dem »Hieronymus-Ring«. Dabei wandert das Schmuckstück vom bisherigen Inhaber an den von ihm selbst ausgesuchten Nachfolger.

Als Schutzheiliger der Übersetzer gilt der Kirchenlehrer und -vater Sophronius Eusebius Hieronymus, der das Alte und Neue Testament aus dem Hebräischen bzw. Griechischen ins gesprochene Latein übersetzte. Er starb am 30. September im Jahr 420.

Erstmals ins Leben gerufen wurde der Internationale Übersetzertag von der International Federation of Translators (FIT) 1954 in Paris. In die Welt trug die FIT ihre Idee erst 1991, um das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der internationalen Übersetzergemeinschaft zu festigen und den Berufsstand in vielen Ländern der Welt zu fördern. Vor zwei Jahren setzte die UNO-Generalversammlung den Hieronymustag einstimmig weltweit in Kraft und bekräftigte die Rolle der professionellen Übersetzung bei der Vernetzung von Nationen, zur Friedensförderung und zum gegenseitigen Verständnis.

In diesem Jahr feiert auch die Weltlesebühne e. V. ihr zehnjähriges Bestehen. Dies ist ein Zusammenschluss von Übersetzern aus Berlin, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Heidelberg, Köln und Zürich. Ihre Veranstaltungen widmen sich der internationalen Literatur und ihren häufig unbekannten Co-Autoren. Sein Jubiläum begeht der Verein mit einer umfassenden länderübergreifenden Aktion zum Internationalen Übersetzertag. Mit über dreißig Veranstaltungen rund um den 30. September würdigt der Verein die Kunst der Übersetzung.

Zum Hieronymustag sind im deutschsprachigen Raum 22 Veranstaltungen unterschiedlicher Formate geplant. Sie vermitteln Einblicke in die Übersetzerwerkstatt und laden zum Austausch mit den ÜbersetzerInnen ein. Unter den zahlreichen Auftretenden sind u.a. Bettina Bach, Frank Heibert, Karin Uttendörfer und Hirofumi Yamada. Übersetzt werden Texte unterschiedlicher Gattungen aus dem Isländischen, Japanischen, Norwegischen, Ungarischen und vielen weiteren Sprachen. Die Veranstaltungen finden in Berlin, Bocholt, Bremen, Düsseldorf, Flensburg, Frankfurt am Main, Freiburg, Greifswald, Hamburg, Heidelberg, Jena, Köln, Leipzig, Marburg und Zürich statt.

Das vollständige Programm ist unter https://weltlesebuehne.de/hieronymustag-2019.html zu finden.

Weltliteratur existiert überwiegend in fremden Sprachen, von denen wir nur wenige beherrschen. Deshalb beruhen die literarischen Erfahrungen der meisten Menschen auf Übersetzungen. Die bewegen uns dann, wenn sie sich auf vergleichbarem Niveau wie das Original befinden. Deshalb lassen uns Literaturübersetzer in die unterschiedlichsten kulturellen Welten eintauchen. Das ist weit mehr als bloßes Dolmetschen. Aus diesem Grund brauchen die ÜbersetzerInnen unsere Wertschätzung – nicht nur am Hieronymustag!

Wie begründete meine Enkelin die Dienstleistung an ihren Papa: »Damit du das weißt!«