»Confidence«, so der Originaltitel, erschien 1880 und gehört zu den frühen Werken des Amerikaners. Im Kern geht es um zwei junge Frauen und ihre Verehrer, die sich nach etlichen Irrungen und Wirrungen schließlich doch noch finden.
Im Zuge einer Italienreise erlebt der gutsituierte Bernard Longueville in Siena eine schicksalhafte Begegnung. Er trifft dort zufällig auf eine zauberhafte junge Dame, deren Antlitz er augenblicklich auf Papier bannen muss – ohne ihre Erlaubnis, was dann auch prompt zu einer Irritation ihrerseits führt. Der nächste Zielort seiner Reise ist Baden-Baden, in diesen Tage einer der Places to be, wenn man etwas auf sich hält und das nötige Kleingeld für einen solchen Aufenthalt hat. Interessanterweise scheinen die hier auftretenden Charaktere alle nicht wirklich an Geldnot zu leiden, des öfteren werden Reisen unternommen, und viele Tage werden vom Müßiggang, Spaziergängen, Bällen und leichter Konversation dominiert. Aber der Schein trügt, denn die auf den ersten Blick unbedarften Gespräche enthüllen Leidenschaften, die den jungen Leuten noch sehr zu schaffen machen werden.
Ein Brief seines guten Freundes Gordon Wright ist der Anlass für Bernard, sich auf den Weg nach Baden-Baden zu machen. Gordon ist verliebt und wünscht, dass Bernard das Objekt seiner Begierde kritisch unter die Lupe nimmt. Man kann sich denken, wie groß dessen Überraschung ist, als er erkennt, dass es sich um die faszinierende junge Dame handelt, welche er in Siena porträtiert hat. Angela Vivian, so ihr Name, wird ständig von ihrer Mutter begleitet, die augenscheinlich eine gute Partie für ihre Tochter sucht und diese gut versorgt wissen will. Der vermögende Gordon würde aufgrund seines finanziellen Hintergrundes durchaus die gewünschte Qualifikation mit sich bringen. Ein an der Peripherie der Hauptakteure befindlicher Hauptmann namens Lovelock sowie die mit scheinbar eher schlichtem Gemüt gesegnete, jedoch ausnehmend hübsche Blanche Evers, welche ihre Mutter in die Obhut von Mrs. Vivian gegeben hat, sorgen zusätzlich für Komplikationen.
Wie immer bei Henry James steht das Zwischenmenschliche im Vordergrund. Die überschaubare Handlung wird von Gesprächen und Gedanken getragen, die die komplizierten Bande zwischen den Protagonisten sichtbar machen. Die Beweggründe Angela Vivians bleiben bis zum Schluss rätselhaft, und die Freundschaft der beiden Männer wird auf eine harte Probe gestellt. Ein in seinen Augen unerhörtes Ereignis lässt Gordon Wright völlig die Fassung verlieren, und der Leser fragt sich nicht nur einmal, ob und wie sich die im Roman geschilderten Spannungen auflösen werden.
Henry James: Vertrauen | Deutsch von Fritz Lorch
Manesse 1996 | 408 Seiten | Nur noch antiquarisch erhältlich.