Als ich mit meinem Autorenkollegen Karsten Weyershausen an unserem Buch »Kerle im Klimakterium« arbeitete und wir in mehreren Gesprächen unseren wandelnden Musikgeschmack erörterten, stellte er fest, dass wir in jüngeren Jahren zumeist neugierige Zukunftsforscher sind, im Alter aber immer mehr zu Archäologen mutieren, die wichtige Bildungslücken zu stopfen versuchen.
Wie Recht er hat. Ich kann das an mir selbst sehr gut beobachten. Schon lange hechele ich nicht mehr den neuesten Musiktrends hinterher – mit ihren oft austauschbaren Konserven, sondern durchforste zunehmend die 60er und 70er Jahre und gewinne dabei immer mehr Freude an alten Jazz- und Swing-Klassikern. Aus genau diesem Grund blieb ich auch am Jazzkalender 2017 von Heinrich Römisch hängen, der mir vergangene Woche über einen Newsletter offeriert worden war.
Ich kenne Heinrich Römisch nicht persönlich, aber sein Name ist mir schon seit mehr als 25 Jahren ein Begriff. Anfang der 90er Jahre, als ich in einem kleinen Braunschweiger Verlag arbeitete, verabredete sich mein Chef gelegentlich auf ein Bierchen mit ihm, meistens in der Baßgeige, einer kleinen, altehrwürdigen Jazzkneipe in meiner Heimatstadt. Aus dieser Zeit kannte ich Heinrich Römisch als Bassist. Was ich bisher nicht wusste: Er hat an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig studiert und ist in erster Linie ein begnadeter Grafiker und Illustrator.
Sein Jazzkalender belegt dies auf eindrucksvolle Weise. Es sind großartige Bilder von großartigen Musikern. Folgende Jazz-Legenden rufen die Monate von Januar bis Dezember in Erinnerung: Michel Petrucciani, James Blood Ulmer, Joachim Kühn, Charles Mingus, Chet Baker, Louis Armstrong, Sonny Rollins, Charlie Haden, Ray Charles, Dizzy Gillespie, Lester Bowie, John Coltrane und Michel Godard.
Versehen sind die liebevollen Portraits mit kurzen getexteten Hommagen von Klaus Gohlke. So ist beispielsweise über Ray Charles im Monat September zu lesen: »Ray kannte sie in- und auswendig, die christlich-himmlischen Gospels, aber auch den Blues. Beides zusammen verwandelte er in irdisch-erotischen Soul. Wunderbar sündige Musik.«
Wer sich für Jazz und Kunst interessiert oder Freunde hat, die sich für Jazz und Kunst interessieren und diese beglücken möchte, findet in diesem Kalender ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk. In Braunschweig ist der Kalender derzeit an drei Verkaufsstellen erhältlich: im Kult-Theater an der Hamburger Straße 273, in der Musikalienhandlung Bartels in der Schlosspassage und natürlich in der bereits gewürdigten Baßgeige am Bäckerklint.
Natürlich kann der Kalender auch online bestellt werden: über die Website des Künstlers, die mit einer umfangreichen Bildergalerie dokumentiert, dass Römischs hingebungsvolle Auseinandersetzung mit den Jazz-Größen des 20. Jahrhunderts nicht auf zwölf Monatsmotive beschränkt ist.
Für mich ist nach 25 Jahren die Zeit gekommen, Heinrich Römisch persönlich kennenzulernen, indem ich demnächst endlich mal eines seiner Konzerte besuche. Denn er spielt auch immer noch Bass.
Heinrich Römisch: Jazzkalender 2017 | Deutsch
Selbstverlag 2016 | Bestellen über die Website des Künstlers