Guy Vanderhaeghe: The Englishman’s BoyLots of things I wish hadn’t happened – but everybody looks to keep his own precious hair. You drop the cat in boiling water he’s going to claw his way out or cook. I didn’t never intend to cook. So I clawed. I don’t make no apology for it. You’d have done the same. But what happened with the girl – there weren’t no excuse for it. There weren’t no excuse to scald the girl.

Harry Vincent, ein junger Kanadier, arbeitet in den 1920ern in einer unbedeutenden Position für ein Filmstudio in Hollywood. Sein Chef, Damon Ira Chance, setzt sich in den Kopf, den bedeutendsten Western aller Zeiten zu drehen, um die Bevölkerung der USA zu »amerikanisieren«. Für Harry, der seinen Boss Chance so gut wie nie sieht, kommt es völlig überraschend, dass ausgerechnet er damit beauftragt wird, das Drehbuch für den Western zu schreiben. Zu diesem Zweck soll er Shorty McAdoo aufspüren und interviewen, einen alten »Westerner«, von dem Chance glaubt, dass seine Lebensgeschichte die Grundlage für seinen Film liefern wird.

Als Harry den Job annimmt, kann er aufgrund der damit verbundenen Gehaltserhöhung seine demente Mutter in einem besseren Heim unterbringen. Nach einigen Schwierigkeiten gelingt es ihm auch, Shorty McAdoo zu finden, der nach und nach Vertrauen zu Harry fasst und ihm schließlich ein Erlebnis aus seiner frühen Vergangenheit gesteht, das ihn bis heute prägt und mit Schuldgefühlen belastet: »He looks no lighter despite his confession«, stellt Harry fest. Shorty legt sein Geständnis unter der Bedingung ab, dass Harry seine Geschichte nicht verdreht, sondern so wiedergibt, wie sie sich zugetragen hat.

Shortys Geschichte ist jedoch weit davon entfernt, Chances Vision eines Films zu entsprechen, in dem er eine Art amerikanischen Frontiergeist verherrlichen und dadurch zur nachahmenswerten Grundlage des amerikanischen Nationalcharakters erklären kann. Chance ist davon überzeugt, dass Amerika nur in einer Welt überleben kann, in der der Zweite Weltkrieg seine Schatten bereits vorauswirft, wenn es sich darauf besinnt, dass jedes sentimentale Mitleid mit den Verlierern der Geschichte vermieden werden muss, damit sich die Starken durchsetzen können; folglich gibt er Harry die Anweisung: »Rewrite it. Change the girl. The enemy is never human.«

Als Harry Chances wahre ideologischen Absichten erkennt, versucht er, sich aus seiner Beteiligung an der Entstehung des Films herauszuwinden, obwohl dies den finanziellen Ruin für ihn bedeuten könnte – weder könnte er seine Mutter versorgen, noch würde er einen anderen Job finden, denn gegen Chances fast mafiose Skrupellosigkeit ist er machtlos. Harry rät auch Shorty, sich nicht mit Chance anzulegen, doch Shorty, von Schuldgefühlen aus der Vergangenheit verfolgt, lässt nichts unversucht, damit seine Lebensgeschichte nicht zur Verbreitung einer Lüge missbraucht wird, und beschwört damit eine weitere menschliche Katastrophe herauf.

Parallel zu Harrys Geschichte erzählt Vanderhaeghe in abwechselnden Kapiteln die des »Englishman’s Boy«, und zwar die wahre Version, in der sich Shorty in einem Gewissenskonflikt wiederfindet, der Harrys nicht unähnlich ist: Weil er versucht, den eigenen Stolz und die eigene Würde zu wahren, Loyalitäten einzuhalten und seine Überlebensgrundlage zu verteidigen, gerät Shorty in eine unentrinnbare Situation, in der ihm nur die Entscheidung zwischen dem eigenen Leben und seinem Gewissen bleibt.

Alles in allem ist »The Englishman’s Boy« ein spannendes und mitreißendes Buch, das an einen verantwortungsvollen Umgang mit der Geschichte erinnert und sich nicht zuletzt durch metaphorisch aufgeladene Beschreibungen der amerikanisch-kanadischen Wildnis auszeichnet.

Guy Vanderhaeghe: The Englishman’s Boy | Englisch
McClelland & Stewart 1997 | 344 Seiten | Nur noch antiquarisch erhältlich