Ich hatte einmal eine Freundin, die in einer Wohnung mit Außentoilette lebte. Wie sie das aushielt, war mir unbegreiflich, denn vor allem im Winter fand ich es furchtbar, mitten in der Nacht ins kalte Treppenhaus zum Klo zu schlurfen.
Noch schlimmer war es allerdings, wenn man dann vor einer verschlossenen Tür stand, denn meine Freundin musste sich die Außentoilette mit einer WG teilen, die sich ebenfalls auf ihrer Etage befand. Ein Bewohner dieser WG – ich habe ihn nie gesehen – schien die ganze Nacht auf jener Toilette zu hocken. Doch nicht etwa weil er unter Durchfall, einem Reizdarm oder Verstopfung litt, sondern um zu schmökern.
Neben dem Klobecken lagen nämlich mehr Klatschblätter als in einer Zahnarztpraxis. Auf dem Heizkörper, der mit einem Deckchen versehen war, stapelten sich die Bücher. Da der Mensch 144 Tage seines Lebens auf der Toilette verbringt, sollte es dort zumindest gemütlich sein, dachte man wohl. An der Innenseite der Klotür hing ein Plakat gegen Atomkraft, vorm Fenster baumelten rosa Gardinen.
Klolektüre hat eine lange Tradition. In der Kindheit befindet sie sich auf den Wänden der Schülertoiletten. Später hat man die Bild-Zeitung, die in dieser Hinsicht quasi die nächste Evolutionsstufe darzustellen scheint.
Für Manche ist das stille Örtchen tatsächlich der einzige Ort, an dem sie ihre Ruhe haben. Ein Freund erzählte mir, dass er einmal drei Stunden dort verbrachte, um ungestört Comics zu lesen, was ich in Anbetracht der Tatsache, dass er allein lebt, schon recht merkwürdig fand. Bei besonders spannenden Passagen steckte er kleine Fetzen Klopapier zwischen die Buchseiten.
Eines Tages wollte er mir eines seiner Lieblingsbücher ausleihen, doch als ich die vielen kleinen Fetzen Klopapier herauslugen sah, überlegte ich es mir anders. »Äh … mir fällt grad ein: Ich hab eben überhaupt keine Zeit für Bücher, weißt Du.«
Auch die Oscarpreisträgerin Helen Mirren findet Kloliteratur toll. Als sie vor ein paar Jahren in einer Talkshow einen autobiografischen Bildband vorstellte, bezeichnete sie ihn als »großartiges Klobuch«. Offenbar ist die Klolektüre ein weltweites Phänomen.
Allerdings wird auch hier das Buch langsam von den neuen Medien abgelöst. Ein Bekannter behauptete einmal, so lange auf dem Klo mit seinem iPod gespielt zu haben, dass er nicht mehr aufstehen konnte, da seine Beine eingeschlafen waren. Ich würde mich nicht wundern, wenn die Hälfte aller World of Warcraft-Spieler mit ihrem Laptops auf dem Klo sitzen, während sie Online ihre Gegner zermatschen. Irgendwie ein beunruhigender Gedanke.
Hat die klassische Klolektüre da eine Zukunft? Eines steht fest: Mit guter Kloliteratur kann man noch immer große Geschäfte machen. In jeder Hinsicht.