Giulia Becker: Das Leben ist eins der HärtestenEnde Januar bin ich mit ein paar Freund*innen auf dem Weg in die Hannoversche Swiss Life Hall, um mein Geburtstagsgeschenk einzulösen: Böhmi in Concert. Der Moderator des Neo Magazin Royale, Jan Böhmermann, tourte für ein paar Monate quer durch die Republik und sorgte mit politischen Musikeinlagen für gute Unterhaltung. Mit dabei waren das Rundfunktanzorchester Ehrenfeld, der Schauspieler Florentin Will und: Giulia Becker. Ihr eindrucksvoller satirischer Song über das weibliche Geschlechtsorgan ist mir auf jeden Fall im Gedächtnis geblieben. Nun, einige Wochen später, halte ich ihren ersten Roman in den Händen: »Das Leben ist eins der Härtesten«.

Die Handlung scheint zunächst ein wenig verworren und skurril. Vier mehr oder weniger gescheiterte Existenzen finden auf abenteuerliche Art und Weise zusammen. Da ist zum einen Renate, deren Zwerg von einem Hund tragisch in einer Punica-Flasche erstickt ist. Der Tod ihres geliebten Vierbeiners ist für sie nicht zu verkraften und so kramt sie irgendwann ihre Sachen und äußerst anstrengenden Angewohnheiten zusammen und besucht Silke.

Silke ist ein Mensch, dem das Leben übel mitgespielt hat. Als sie es nicht mehr ertrug, zog sie im wahrsten Sinne des Wortes die Notbremse, was letztendlich dazu geführt hat, dass sie nun in der Bahnhofsmission arbeitet und glücklicher ist, als je zuvor. Dazu beigetragen, hat auch eine Selbsthilfegruppe, in der sie Willy-Martin kennenlernte. Dieser hat panische Angst vor Hunden, kümmert sich beruflich um Tauben und ist im Grunde nur auf der Suche nach etwas Zuneigung. Die Vierte in der Runde ist Frau Goebel, die Nachbarin von Silke. Sie besteht nur noch aus Falten, wartet gelassen auf den Tod und wünscht sich nichts sehnlicher als eine letzte Reise ins Tropical Island. Da für die anderen drei nichts dagegen spricht, machen sie sich auf den Weg und kommen sich selbst und den anderen dabei näher.

Die beiden Frauen liegen sich in den Armen, Silke weint stille Tränen, Renate schluchzt laut, sie weinen und wiegen sich und hören nicht auf, sich immer wieder fest zu drücken, und sie stehen so da, eng umschlungen und weinen ins Wohnzimmer. »Hast du getrunken?«, fragt Renate mit tränenerstickter Stimme. »Nicht genug«, antwortet Silke.

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, als ich Beckers Buch aufschlug, aber ganz bestimmt nicht das. Die Geschichte ist so herrlich absurd und fantasievoll, dass ich nur staunen kann. Die Charaktere sind in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Die nervtötende Renate, die gutmütige Silke, der überforderte Willy-Martin und die schrullige Frau Goebel bilden ein Quartett, das so überhaupt nicht zusammenpasst und gerade dadurch so gut funktioniert.

Dass eine junge Frau über ältere Leute schreibt, ist selten. Umso schöner ist es, dass Giulia Becker den richtigen Ton trifft. Auch wenn alle vier Menschen Karikaturen sind und man in der Realität vermutlich selten auf solch absonderliche Schicksale stoßen dürfte, fängt sie Charakterzüge ein, die mir auf wunderbare Art bekannt vorkommen.

Giulia Becker ist ein großartiges Debüt gelungen, das bereits einen Preis der LitCologne abgeräumt hat. Es liest sich schnell, Lacher sind garantiert und Tränen wohl auch. Ich kann es wärmstens empfehlen. Lasst Euch überraschen, denn vorhersehbar ist dieses Buch ganz bestimmt nicht!

Giulia Becker: Das Leben ist eins der Härtesten | Deutsch
Rowohlt 2019 | 224 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen