Die Veröffentlichungen des Braunschweiger Vielschreibers Frank Schäfer sind für mich inzwischen zur Pflichtlektüre geworden. Sein ihm ganz eigener Schreibstil, schnoddrig und geistreich zugleich, mit perfekt platzierten Pointen trifft exakt meinen Lesegeschmack. Hinzu kommt, dass unsere Biografien ein paar nicht unwesentliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Wir sind beide Baujahr 1966, in der niedersächsischen Provinz groß geworden und pflegen eine innige Beziehung zum Schreiben, zu unserem Nachwuchs (Chefchen und Chefinchen) und zu Eintracht Braunschweig. Das verbindet.
Und um eben genau diese Dinge und noch Einiges mehr geht es in seinem neuesten Werk, das Anfang April im Reiffer Verlag erschienen ist. Das heißt, so ganz brandneu ist das Buch nun auch wieder nicht. Die meisten Texte, die Schäfer für sein hier gepriesenes Sammelwerk »Jagdszenen in Niedersachsen« zusammengetragen hat, konnte er als Kolumnist bereits der »taz«, der »jungen Welt«, »konkret«, dem »Schädelspalter« und »Neuen Deutschland« unterjubeln. Einige dieser Elaborate waren mir daher schon bekannt, aber macht nichts – ich lese sie gerne zweimal.
Ein Highlight offenbart sich gleich nach dem Aufschlagen des Buches. Schäfer war mehr oder weniger live dabei, als sich der einstige niedersächsische Landesvater und Ex-Kanzler Gerhard Schröder Mitte der 90er Jahre von seiner Hillu trennte. Viel hat damals nicht gefehlt und wir hätten Schäfer an die Regenbogenpresse verloren. Das wäre ein herber Verlust gewesen für die Anhänger sturmfester Literatur.
Wir hätten dann überlebenswichtigerweise nie erfahren, wie es sich anfühlt, auf einem Metal-Festival das Nachtlager mit dem ebenfalls sehr geschätzten Autorenkollegen Till Burgwächter zu teilen (»Schnarchologe mit Traumtourette«). Oder wie das damals so war, als Schäfer sich mit seinem eigenen, nicht ganz so erfolgreichen Schwermetallkombinat für einen Live-Auftritt bis nach Göttingen wagte (»Nö Sleep till Nörgelbuff«). Ein unvergessliches Ereignis, nicht nur, weil sich auf dem Heimweg bei 120 km/h die Schiebetür des Tourbullis verselbstständigte.
In »Jagdszenen in Niedersachsen« lässt sich das alles detailliert nachlesen. Mit rund 180 Seiten leider ein relativ kurzes Lesevergnügen, aber wer den Sprung ins Schäfersche Universum wagen möchte, ist damit wirklich gut bedient. Und man muss nicht zwingend aus Niedersachsen kommen oder etwas mit diesem steifen Völkchen zu tun haben, um die Lektüre als gewinnbringend einzustufen. Es reicht, wenn man auf harte Jungs steht (und mehr noch auf die Musik, die sie hören) und gerne in den Tälern zwischen urbaner Hochkultur und rustikalem Dorfleben unterwegs ist. »Jagdszenen in Niedersachsen« ist hier eine hübsche Brücke, über die sich der Erfahrungsweg erheblich verkürzen lässt.
Wer Gefallen daran findet, dem seien unbedingt auch Schäfers vorangegangene Werke ans Herz gelegt: »Der Couchrebell« (Herder, 2015) und »Hühnergötter« (Limbus Preziosen, 2017). Oder man schaut Morgen, am 03. Mai 2019, mal in der Braunschweiger Buchhandlung Graff vorbei, wo Frank Schäfer zusammen mit Ralf Sotscheck live zu erleben ist. Titel der Lesung: »Schlitzohren, Schluckspechte und komische Heilige – Irland trifft Niedersachsen«.
Frank Schäfer: Jagdszenen in Niedersachsen | Deutsch
Reiffer Verlag 2019 | 192 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen