In dem Essayband »Extrem unbrauchbar« haben sich eine Vielzahl von Autor*innen der Extremismustheorie angenommen, um sie gründlich auseinanderzupflücken. Es geht um ihre Ursprünge, ihre Verfechter*innen, ihre institutionelle Anwendung und um den Mythos einer gesellschaftlichen Mitte. Was uns heute als gegeben erscheint (man betrachte nur einmal die Sitzordnung in den meisten deutschen Parlamenten), ist die Folge eines Geschichtsrevisionismus, der sich in der Nachkriegszeit herausbildete. Tendenziell wurden Nationalsozialismus und Kommunismus auf eine Ebene gestellt. Verwies jemand auf die NS-Verbrechen, verwies ein anderer auf die Verbrechen der Sowjetunion. Das Ende des Nationalsozialismus führte keineswegs zum Ersterben des Antikommunismus der NS-Ideologie, stattdessen entstand in vielen Köpfen das Selbstverständnis »Wer Antikommunist ist, ist Demokrat. Und wer Demokrat ist, kann kein Nazi sein.«

Aus diesen Bestrebungen entstand letztlich die Extremismustheorie von Eckhard Jesse und Uwe Backes. Zwei Politikwissenschaftler, die nicht nur die Auseinandersetzung mit den rassistischen und antisemitischen Einstellungen der deutschen Gesellschaft für überflüssig hielten, sondern zusammen mit Rainer Zitelmann 1990 den »Veldensteiner Kreis zur Geschichte und Gegenwart von Extremismus und Demokratie« gründeten. Benannt ist dieser Zirkel übrigens nach einer Burg, die einst Wohnsitz von Herrmann Göring war.

Erschreckend genug, dass die Theorie seit Mitte der 1970er Jahre Eingang in die deutschen Sicherheitsbehörden gefunden hat. Dort steht der sogenannte Rechtsextremismus auf einer Stufe mit Islamismus und Linksextremismus, ein Bild der drei Gefahren, das sich vor allem der Verfassungsschutz zu Eigen gemacht hat. Die Hufeisen-Theorie at its best: Außen die extremen Ränder und dazwischen die gemäßigte und vernünftige Mitte. Doch das Bild beginnt zu bröckeln, wenn man näher hinschaut: Über 200 Todesopfer rechter Gewalt zählt die Amadeu Antonio Stiftung seit 1990 und die »Mitte« ist keinesfalls so harmlos, wie man sie gern hätte:

»Zur [sogenannten] Mitte zählt sich heute auch, wer brennende Geflüchtetenunterkünfte rechtfertigt, wer ein brutales Grenzregime unterstützt, das täglich Menschen ertrinken lässt oder jeden sozialchauvinistischen Tritt nach unten mit einem Nicken quittiert.«

Wenn es extrem ist, Menschen aus dem Mittelmeer retten zu wollen und sich öffentlich gegen Rassismus zu positionieren, wie zum Beispiel Walter Lübcke es getan hat, dann ist etwas verkehrt in dieser Gesellschaft. Was es braucht, ist ein emanzipatorisches Demokratieverständnis, in der die Demokratie als ein Prozess verstanden und immer wieder erkämpft und verteidigt werden muss.

Wie das funktionieren kann und noch viel mehr thematisieren die Autor*innen von »Extrem unbrauchbar« und erklären, warum das Hufeisen ein für allemal an den Nagel gehängt werden muss.

Eva Berendsen, Katharina Rhein, Tom David Uhlig (Hg.): Extrem unbrauchbar.
Über Gleichsetzungen von links und rechts
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Verbrecher Verlag 2019 | 304 Seiten | Jetzt bestellen