Esther Schüttpelz: Ohne michDie namenlose Ich-Erzählerin in Esther Schüttpelz‘ Romandebüt »Ohne mich«, erschienen im Diogenes Verlag, meint von sich, »ein interessantes Hybrid zwischen kapitalistischem Arschloch und durchsetzungsstarker Zukunftsfrau« zu sein. Sie heiratet mit Mitte Zwanzig, weil es sich verwegen und gut anfühlt. Kurze Zeit später trennt sie sich wieder.

Nun sucht sie nicht nur nach den Ursachen für ihr Scheitern, sondern auch nach einem Plan für die Zukunft. Soll sie ihr Jura-Studium beenden oder den bequemeren Weg nehmen und einfach weiter die Nächte durchfeiern? Wie wäre es als erfolgreiche Anwältin, wie als Aussteigerin? Findet sie ihr Gleichgewicht während eines Yoga-Kurses oder wartet ihr Glück Gitarre spielend in selbstkomponierten Liedern?

Wir hören auch Musik, und dann kommt »Goodby my Lover« von James Blunt, und, WERMACHTDENNSOWAS, wir fangen beide an zu heulen, heulen uns so richtig gegenseitig an, hier, friss, trink, ertrink in meinen Tränen, du Arsch, du Liebe. Wir umarmen uns, es wird zu viel, wir sagen: Bis bald, wir sehen uns. Er wohnt ja jetzt immer noch ganz in der Nähe, eine Straße weiter bei Ferdinand. Bis bald also, tschüss.

Die Leser*innen begleitet eine hin- und hergerissene junge Frau. Sie ertränkt ihren Schmerz in reichlich Bier und Wodka, kifft und kokst. Sie verliert sich in One-Night-Stands, die ihr nichts bedeuten und gibt sich den Münsteraner Clubnächten hin. Die Protagonistin der Geschichte laviert sich durch ihr Referendariat und wahrt so den Schein der braven Bürgerin. Ihr Leben schlingert jedoch zwischen dem Mief einer Spießbürgerin und dem klaren Mut der Aufruhr – mal bevorzugt sie die Angepasstheit, mal entzündet sie die Energie des Ausstiegs.

Das alles geschieht in einem solchen Tempo, dass man die Geschichte ohne Pause durchliest. Esther Schüttpelz‘ Sprachwitz fesselt ebenso wie die vielen kleinen scharfsinnigen Feststellungen. Ihr Weckerklingeln fühlt sich an, als würde man selbst abrupt aus tiefstem Schlummer erwachen. Man taumelt mit der Protagonistin durch lange Nächte und trauert mit ihr um die gescheiterte Ehe. Soll sie sich Hilfe holen? Was bringt der kurze Aufenthalt bei ihren Eltern? Aus- oder Aufsteigen oder gar beides? Sich mit dem Ehemann, den sie bis zur letzten Seite auch so nennt, versöhnen? Wenn das so einfach wäre!

Esther Schüttpelz erzählt knapp und trocken mit lässigem, leichtem Ton und durchzieht ihre aufregende Geschichte wirkungsvoll mit Ironie. Eine Schublade findet sich für dieses Erstlingswerk nur schwer. Die Gedanken über die Rolle der modernen Frau lesen sich ebenso anregend wie die packende Liebesgeschichte ein Jahr nach ihrem Ende. Esther Schüttpelz‘ erster Roman erhält eine klare Leseempfehlung.

Esther Schüttpelz: Ohne mich | Deutsch
Diogenes 2023 | 256 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen