E.C. Abbott & Helena Huntington Smith: We Pointed Them NorthMy sympathies was with the Indians. … God, I wish I’d been a Sioux Indian a hundred years ago. … They’ve been living in heaven for a thousand years, and we took it away from ‚em for forty dollars a month. (E.C. Abbott & Helena Huntington Smith: We Pointed Them North – Recollections of a Cowpuncher. Norman: University of Oklahoma Press, 1939)

»We Pointed Them North« von E.C. Abbott, der auch unter dem Namen »Teddy Blue« bekannt ist, stellte die Grundlage fast aller sogenannter trail drive Western, wie zum Beispiel Larry McMurtrys erfolgreichen Pulitzer Preisträgers »Lonesome Dove« aus dem Jahre 1985. Es handelt sich bei Abbotts Buch sozusagen um eine Art Ur-Western, um den authentischen Augenzeugenbericht eines »echten« Cowboys, das heißt, eines Mannes, der tatsächlich in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts im Westen der USA als solcher tätig war. Abbott hat miterlebt, wie das Geschäft mit den Kühen nach dem Ende des Bürgerkriegs auf- und nach nur wenigen Jahrzehnten wieder verblühte. Er beschreibt, wie das Leben derjenigen Cowboys aussah, die damals damit beschäftigt waren, riesige Viehherden durch das Land zu treiben, um den Fleischbedarf dort zu decken, wo es vorher keine Kühe gab.

»We Pointed Them North« ist als mündliche Erzählung niedergeschrieben und in dem Stil gehalten, in dem Abbott seiner Ko-Autorin Helena Huntington Smith seine Lebensgeschichte erzählte. Aufgrund der rückblickenden Perspektive fehlt nicht die im Western Genre übliche Nostalgie darüber, dass das ursprüngliche Leben im Wilden Westen vorbei ist, eine Perspektive, die wohl durch die Kurzlebigkeit der Blütezeit des Cowboys verschärft wird, der trotz der Kürze seiner realen Existenz die wichtigste mythische Heldenfigur der amerikanischen Kultur bleibt. Abbott betont den neuen, provisorischen Charakter der damals erst im Entstehen begriffenen Viehwirtschaft. Oftmals, so scheint es, wusste niemand so recht, oder nahm sich niemand die Zeit, zu überlegen, wohin der Raubbau an der Natur – die Überwirtschaftung (overgrazing) einer empfindlichen Graslandschaft durch riesige Viehherden – führen musste. Genauso erwähnt Abbott zahlreiche Fälle, in denen eine für europäische Denkverhältnisse schier unermessliche Anzahl von Kühen der mangelnden Erfahrung oder dem fehlenden Sachverstand der verantwortlichen Menschen zum Opfer fiel.

Wie aus dem Eingangszitat hervorgeht, sieht sich Abbott als Cowboy in einer Parallelsituation zu den Ureinwohnern, deren angestammte Lebensweise aufgrund der fortschreitenden Besiedelung des Kontinents zum Untergang verurteilt war. Daher stellt sich möglicherweise manchem Leser die Frage, wie die ganze Cowboysache auf nachhaltigere Weise hätte angegangen werden können, oder ob es nicht besser gewesen wäre, bei der Besiedelung des Westens vollkommen anders vorzugehen. Wie Abbott festhält, haben der Cowboy und der Indianer ihre Naturverbundenheit gemeinsam: Beide können idealerweise ohne fremde Hilfe und aus eigener Kraft in der unwirtlichen Wildnis des Südwestens und Westens überleben, ohne der Natur zu schaden, indem sie mit ihr vertraut sind und sich ihr anpassen. Abbotts Lob für die indianische Lebensweise scheint daher fast anzudeuten, ob es nicht viel besser für alle Beteiligten gewesen wäre, wenn die einwandernden Weißen den Lebensstil der Indianer übernommen hätten anstatt umgekehrt …

Abbotts faire, teilweise unerwartete und selbstkritische Sichtweise auf die Cowboykultur macht den Ich-Erzähler sympathisch, auch wenn manche seiner Handlungen fragwürdig erscheinen, wie etwa die Vorgehensweise, sich eines unliebsamen Pferdes zu entledigen, indem er es verleitet, sich ein Bein zu brechen, um es anschließend erschießen zu können.

»We Pointed Them North« ist ohne Frage jedenfalls ein interessantes Zeitgemälde der Denkweisen, Sitten und Bräuche bestimmter Teile der amerikanischen Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert, und für jeden Westernfan eine wahrscheinlich unerlässliche Lektüre.

E.C. Abbott & Helena Huntington Smith: We Pointed Them North –
Recollections of a Cowpuncher
| Englisch
University of Oklahoma Press 1968 | 262 Seiten | Nur noch antiaquarisch erhältlich