Rebecca Connolly ist eine junge und sehr engagierte Journalistin bei der Wochenzeitung Highland Chronicle, einem Nachrichtenblatt aus Inverness. Sie ist gut in dem, was sie tut, verzweifelt aber an den modernen Zwängen des kostengeprägten Journalismus. Alles muss möglichst billig, ohne viel Aufwand produziert werden – maximaler Ertrag bei minimalen Kosten. Wir kennen das.
Geboren wurde sie auf der Insel Stoirm, einem sturmumtosten Eiland vor der schottischen Küste. Immer wieder hatte sie ihren mittlerweile verstorbenen Vater über ihre Heimatinsel befragt, aber bei diesem Thema hielt sich der alte Connolly stets äußerst bedeckt. Was ist seinerzeit dort vorgefallen, was ihm nicht über die Lippen kommen wollte? Welche Geheimnisse verbirgt ihre kleine, rauhe Heimat? Diese Fragen lassen Rebecca nicht los, und da trifft es sich gut, dass plötzlich von dort eine brisante Story lockt, der sie unbedingt nachgehen will.
Vor Jahren ist dort ein brutaler Mord an einer jungen Frau namens Mhairi verübt worden. Vor Gericht gestellt wurde Roddie Drummond, ihr Freund, der jedoch aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen wurde. Ein solches Urteil ist jedoch für die meisten Inselbewohner gleichbedeutend mit »schuldig, man konnte es nur halt nicht beweisen«, und so ist Roddie Drummond ein sehr unerwünschter Heimkehrer, als er sich nach dem Tod seiner Mutter aufmacht, um dort an der Beerdigung teilzunehmen.
Aber es gibt noch mehr Konfliktpotential auf diesem ursprünglichen Stückchen Erde: z.B. ein junger Lord, der die Insel umfunktionieren möchte zu einem Spaß- und Abenteuerparadies für Gutbetuchte, was nichts anderes heißt, als dass die gelangweilte, mit zu viel Geld und Zeit ausgestattete High Society u.a. so lustvoll wie sinnlos wehrlose Tiere töten darf, andere zweifelhafte Vergnügungen inklusive. Dagegen lehnt sich Donnie Kerr lautstark auf, eine tragische Figur, die mal mit dem Opfer zusammen war und sie seinerzeit geschwängert hat, nur um sich dann aus dem Staub zu machen und eine veritable Drogenkarriere zu starten.
Bei einer öffentlichen Versammlung zu diesem Thema schwingt er sich zum Rädelsführer der Gegenseite auf, bevor das Ganze schließlich fast völlig eskaliert. Weitere Geheimnisse schwelen unter der windgepeitschten Oberfläche der Insel, manche davon tragen die Inselbewohner schon sehr lange mit sich herum. Aber das eherne Gesetz von Stoirm lautet: »Dinge, die die Insel betreffen, bleiben auf der Insel.« Die Bewohner regeln ihre Probleme unter sich – oder begraben sie, manche für immer.
»Die Toten von Thunder Bay« glänzt neben der überzeugenden Story mit ausgefeilten Charakteren, einer Menge an schottischem Lokalkolorit und legt gern den Finger in die Wunde – soziale Spannungen sind ein Thema, welches Douglas Skelton offenbar sehr am Herzen liegt, wie er auch im zweiten Band der »Rebecca Connolly«-Reihe, »Das Grab in den Highlands«, deutlich zum Ausdruck bringt.
All dies und die Tatsache, dass hier zur Abwechslung mal eine junge Reporterin zur Hauptfigur gemacht wurde, was neben einer im Vergleich zur Polizei alternativen Vorgehensweise auch interessante Einblicke in die tägliche Arbeit einer Lokalzeitung bringt, macht beide Bände der Reihe zu einer Empfehlung für Leserinnen und Leser, die intelligente, anspruchsvolle, spannende Kriminalliteratur zu schätzen wissen.
Slainthe mhath!
Douglas Skelton: Die Toten von Thunder Bay | Deutsch von Ulrike Seeberger
DuMont 2021 | 416 Seiten | Jetzt bestellen