Ich wurde Assistenzdetektiv und klärte meinen ersten Mord auf, kurz nachdem mich meine Frau verlassen hatte. Zu der Zeit war ich gerade ein bisschen neben der Spur. Natürlich nicht so sehr, wie der Meister persönlich, der hatte einen kompletten Schuss. (…) Und glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede, zumal ich, wie ich gleich am Anfang gestehe, selbst nicht gerade die Inkarnation geistiger Gesundheit bin.
Sam Kornberg, ein liebenswerter Loser und Verfasser nicht-linear-erzählter Romane, ist gerade von seiner Frau verlassen worden und leidet. Sie macht ihm unter anderem seine dauerhafte Erwerbs- und Erfolgslosigkeit zum Vorwurf. Um sie zurückzugewinnen und in der anstehenden Paartherapie mit einem ersten Erfolg auftrumpfen zu können, meldet er sich auf die Anzeige des privaten Ermittlers Solar Lonsky.
Lonsky benötigt einen Assistenten, da er aufgrund seiner zahlreichen Allergien das Haus nicht verlassen kann, das er zusammen mit seiner resoluten Mutter und der koreanischen Haushälterin bewohnt. Der geniale Detektiv besitzt geradezu monströse Körpermaße, die selbst den Kollegen Nero Wolfe in den Schatten stellen.
Sam bekommt von seinem neuen Boss den Namen und die Adresse einer Frau genannt, die er beschatten soll. Dies gelingt ihm mehr oder weniger gut, bis die geheimnisvolle Dame spurlos verschwindet. Bis zu diesem Zeitpunkt ahnt der Nachwuchsdetektiv nichts vom Sinn und Zweck seiner Observierung. Ihm reicht aus, seiner Frau eine Anstellung vorweisen zu können.
Auf den ersten hundert Seiten geschieht recht wenig, aber dies auf spektakuläre Weise, weil Gordon in einem so angenehmen wie aufregenden Plauderton schreibt. Eine Schande, dass dieser Roman nicht als Hörbuch erschienen ist. Als der Ich-Erzähler Kornberg über seine Lieblingsfilme und -bücher doziert, ist ihm mein Herz endgültig zugeflogen.
Er bekommt es mit Satanisten zu tun, verschollenen Undergroundfilmen, einem mysteriösen Regisseur und seinen Musen. Filme spielen eine große Rolle in diesem Roman, schließlich befinden wir uns in Hollywood, aber es ist nicht die Art von Filmen, die man in einem Cineplexkino zu sehen bekommen würde. Genau wie »Mystery Girl« nicht die Art von Roman ist, die man nach dem Klappentext erwartet.
Der geniale Detektiv spielt bestenfalls eine Nebenrolle, seine Genialität ist nur Behauptung und wird selten belegt. Der Kriminalfall ist lächerlich, die Zusammenhänge sind hanebüchen und konstruiert, dienen nur dazu, die Hauptfigur in Bewegung zu halten. Es gibt seitenlange Monologe von verschiedenen Figuren, die etwas Licht in die Ereignisse bringen, aber dafür hätte es bessere (erzählerische) Wege gegeben. Das Ärgerlichste ist allerdings das Ende, wenn das Schicksal der Hauptfiguren auf wenigen Seiten abgefrühstückt wird, als hätte der Autor eine vorgegebene Seitenzahl erreicht und musste schnell zum Ende kommen. Zumal es auf den vierhundert Seiten einige unnötige Längen gab.
Trotz all dieser Kritikpunkte habe ich »Mystery Girl« sehr gerne gelesen. Die Begeisterung im ersten Viertel hat sich danach zwar nie wieder eingestellt, aber die Lektüre blieb unterhaltsam mit vielen schönen Passagen und einer Hauptfigur, die man einfach mögen muss. Es dürfte helfen, wenn man alle Erwartungen, die der Klappentext weckt, einfach über Bord wirft und sich völlig unvoreingenommen auf dieses Leseerlebnis einlässt.
David Gordon: Mystery Girl | Deutsch von Stefanie Jacobs
Suhrkamp 2014 | 411 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen