David Foster Wallace: Unendlicher SpaßSpaß mit der Droge, dann allmählich weniger Spaß, dann deutlich weniger Spaß wegen der Blackouts, aus denen man plötzlich auf der Autobahn auftaucht, wo man mit 145 Sachen und unbekannten Begleitern langkachelt, wegen der Nächte, in denen man in unbekannten Betten neben jemandem aufwacht, der nicht die geringste Ähnlichkeit mit bislang bekannt gewordenen Säugetieren mitbringt, drei Tage währenden Filmrissen, nach denen man sich eine Zeitung kaufen muss, um zu erfahren, in welcher Stadt man sich aufhält; ja, allmählich immer weniger wirklicher Spaß …

Es geht in dem Roman um einen Film. Einen Film, der so unendlich viel Spaß bereitet, dass man nicht aufhören kann, ihn anzusehen und darüber Nahrungsaufnahme und Notdurft vergisst, bis man an den Folgen stirbt. Gedreht hat diesen Film James O. Incandenza, Gründer einer Tennis-Akademie, die auch von seinem genialen Sohn Hal besucht wird. Hinter diesem Film sind kanadische Freiheitskämpfer bzw. Terroristen (je nach Blickwinkel) her, die damit, die Unabhängigkeit Quebecs vom mexikanisch-amerikanisch-kanadischen Staatengebilde namens O.N.A.N.1 erreichen wollen. Das Buch beschreibt unter (vielem) anderem die Jagd von Studenten der Tennis-Akademie und Insassen der örtlichen Entzugsklinik nach diesem Film.

Der Roman spielt in einer nicht näher bestimmten Zukunft, in der die Jahreszahlen durch Sponsorennamen ersetzt wurden2, ist aber kein Science-Fiction-Roman, sondern eine schillernde Satire, die sich hauptsächlich mit Süchten beschäftigt (seien es Drogen oder schlichte Unterhaltung).

Das Buch, auf deutsch erschienen 2009 bei Kiepenheuer & Witsch, umfasst 1410 eng bedruckte Seiten, gefolgt von 140 noch enger und noch kleiner bedruckten Seiten mit Fußnoten3. Es ist ein anstrengendes Meisterwerk, das man hier in mehrfacher Weise zu steigern versucht. Zum einen durch die Sprecher. Auf einer Homepage konnten sich freiwillige Sprecher melden und jeweils eine Seite des Buches einlesen. Dadurch kommt man auf die stolze Zahl von 1.400 Sprechern, die teilweise mitten im Satz wechseln, wenn eine Seite beendet ist. Die Sprecher sind von unterschiedlicher Qualität, teilweise mit sehr eigenwilliger Betonung, und erschweren so die Konzentration auf den Text. Gerade bei einem so anspruchsvollen Buch wäre ein versierter Sprecher nötig, der den Zuhörer an die Hand nimmt.

Aber dies ist natürlich nur ein kleines Hindernis, verglichen mit der »Musik«.

Die Spieldauer von annähernd achtzig Stunden stellt an sich schon eine gewaltige Herausforderung dar, aber durch die nervtötende Musik wird es geradezu unmöglich. Man kann in diesem Fall nicht einmal von Hintergrundmusik sprechen, da sie derart dominant in den Vordergrund gemischt ist, dass sie immer wieder die Konzentration auf den Text stört. Manche Passagen werden über weite Teile mit lärmenden Quietsch- und Piepstönen unterlegt und sind kaum zu ertragen.

Kurzum, es ist eine Qual. Ich hoffe, dass irgendwann einmal ein Director’s cut erscheint, der sich auf den Text dieses wunderbaren Buches beschränkt.

1 Organisation der nordamerikanischen Nationen

2 Beispiele: Das Jahr der Inkontinenz-Unterwäsche, das Jahr des Perdue-Wunderhuhns, das Jahr der Dove-Probepackung, das Jahr des Glad-Müllsacks, das Jahr der Milchprodukte aus dem Herzen Amerikas.

3 Mit einer Länge von wenigen Worten bis zu vielen, vielen Seiten.

David Foster Wallace: Unendlicher Spaß | Deutsch von Ulrich Blumenbach
Mit über 1.400 Stimmen | Dauer: ca. 79 Stunden
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