»Komm schon, Dicke-Bertha San!«, redete Ted dem Auto zu, den Fuß auf der Kupplung und dachte: volle Kraft zurück, als er den Rückwärtsgang einlegte. »Volle Klaft zuluck.« Manchmal sprach er mit seinem »Cololla« in dem grauenhaft rassistischen Akzent von Mickey Rooney in »Frühstück bei Tiffany« – genau die Art übler, simpler Schaut-wie-hart-ich-bin-Rassistenmist, mit dem sein Vater so gern den Leuten auf den Sack ging. Ted fand das unerträglich, beleidigend. Doch manchmal, wider besseres Wissen, fühlte er sich fast wie eine Bauchrednerpuppe, die unfreiwillig die Worte seines Vaters sprach.
Theodore Lord Fenway Fullilove, genannt Ted, arbeitet als Erdnussverkäufer in einem New Yorker Baseballstation und lebt als gescheiterter Literat in einem zugemüllten Apartment. Es sind die Siebziger. Ted schwärmt nicht nur für Grateful Dead, er sieht auch aus wie Jerry Garcia. Seit langem hat er sich von seinem Vater Marty entfremdet und seit fünf Jahren überhaupt nicht mehr mit ihm gesprochen. Da erhält er einen Anruf aus dem Krankenhaus. Der sechzigjährige Marty hat Lungenkrebs und nur noch wenige Monate zu leben.
Die Trauerberaterin Mariana versucht zu vermitteln, und da Ted keine Gelegenheit auslässt, um sie zu beeindrucken, verbringt er zwangsläufig auch viel Zeit mit seinem Vater. Sie entdecken plötzlich Gemeinsamkeiten und gemeinsame Interessen, aber es kommen auch Lebenslügen und Familiengeheimnisse ans Licht.
Bei »Ein Papagei in Brooklyn« handelt sich bereits um den zweiten Roman des Schauspielers aus »Akte X, Californication« und »Twin Peaks«. Sein Debüt »Heilige Kuh« war eine satirische Fabel um eine sprechende Kuh und wurde von der Kritik sehr gut aufgenommen. Doch ohne die Popularität des Autors als Schauspieler wäre sein zweites Buch vermutlich nicht auf Deutsch erschienen, zu »amerikamisch« ist doch der Inhalt. Es wird viel über Baseball erzählt und über Fernsehserien der Siebziger. Beides Themen, mit denen deutsche Leser wohl wenig anfangen können. Doch von den Baseballelementen braucht man sich nicht abschrecken lassen, sie dienen ebenso als Lokalkolorit, wie all die Details der Siebziger.
Die Dialoge sind eine Klasse für sich und jeder filmreife Schlagabtausch zwischen den Hauptfiguren ein Vergnügen. Das Buch ist unsentimental und rührend zugleich. Zu verfolgen, wie Vater und Sohn sich zusammenraufen, ist einfach wunderbar. Die behutsame Annäherung geschieht sehr langsam. Beide verschanzen sich hinter schützenden Zynismus und berufen sich auf erlittene Verletzungen durch den anderen. Nur langsam wird der Ton milder, erscheinen die ersten Lücken in der Deckung. Dabei schlägt Duchovny genau den richtigen Ton an, um zu Herzen zu gehen und trotzdem zum Lachen zu reizen. Wie Ted nach und nach seine Abneigung gegen den Vater ablegt und sogar Verständnis für dessen früheres Verhalten entwickelt, ist berührend geschildert.
David Duchovny hat sich neben seiner Filmkarriere nun auch als Autor einen Namen gemacht. Nach einer satirischen Tierfabel und dieser Vater-Sohn-Tragikomödie darf man gespannt sein, welches Thema er für sein drittes Buch wählt.
David Duchovny: Ein Papagei in Brooklyn | Deutsch von Jan Schönherr
Heyne 2017 | 352 Seiten | Jetzt bestellen