Cormac McCarthy: All the Pretty HorsesThe boy who rode on slightly before him sat a horse not only as if he’d been born to it which he was but as if were he begot by malice or mischance into some queer land where horses never were he would have found them anyway. Would have known that there was something missing for the world to be right or he right in it and would have set forth to wander wherever it was needed for as long as it took until he came upon one and he would have known that that was what he sought and it would have been.

So wird John Grady Cole, der sechzehnjährige Protagonist von McCarthys Roman »All the Pretty Horses« beschrieben. Schon bei diesem einen Satz wird klar, dass die Sprachkunst McCarthys nicht oder nur schwer auf die Leinwand umsetzbar ist. Wer also von der Filmversion dieses Buches nicht viel hielt, sollte sich davon nicht abhalten lassen, den Text selbst zur Hand zu nehmen.

John Grady ist mit Leib und Seele Cowboy, nur sieht er sich Mitte des 20. Jahrhunderts einem Texas gegenüber, dessen wirtschaftliche Grundlage schon lange nicht mehr die Rinderzucht ist, sondern die von der Natur entfremdende Ölförderung. John Grady steht in dieser modernen Welt alleine da und kämpft auf verlorenem Posten: Sein Großvater ist soeben gestorben, da verkauft seine Mutter schon die Ranch, um ihrer Schauspielkarriere nachzugehen, während sein Vater unter einem Kriegstrauma leidet und in einem Hotelzimmer langsam an Lungenkrebs stirbt. Mit dem Verkauf der großväterlichen Ranch seines Erbes beraubt, macht sich John Grady mit seinem gleichaltrigen Freund Rawlins auf nach Mexiko, um in diesem vermeintlich ursprünglicheren, weniger modernisierten Land die für ihn einzig vorstellbare Lebensweise zu verwirklichen.

Ziemlich problemlos finden die beiden Arbeit auf Purísima, einer mexikanischen Ranch, die geradezu traumhafte Bedingungen bietet: unendliche Weite, fruchtbares Land und einen Chef, der John Grady seinem Talent entsprechend bei der Pferdezucht einsetzt und ihn wie ein Ersatzvater fördert. Zwei Probleme jedoch zerstören John Gradys neugefundenes Glück und enden beinahe mit dem Tod der beiden Freunde. Zum einen ist da der kaum vierzehnjährige selbsternannte outlaw Jimmy Blevins, der sich ihnen auf ihrem Hinritt anschließt und sie wegen seines Pferdes in Konflikt mit dem mexikanischen Gesetz bringt. Zum anderen ist da die Tochter des Ranchbesitzers, in die sich John Grady verliebt – eine Beziehung, die in der mexikanischen Gesellschaft nicht gutgeheißen wird. Beide Umstände tragen dazu bei, dass John Grady und Rawlins im Gefängnis landen.

Ihren Traum von der Cowboyexistenz bezahlen sie dort beinahe mit dem Leben. Auf schmerzliche Weise müssen sie erfahren, dass der Mensch in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt ist und, anders als in einem traditionellen Western, nicht immer das tun kann, was er will, oder soll, oder für richtig hält, sondern durch schicksalhafte Zufälle, geschichtliche Kausalketten und äußere Umstände oft gezwungen wird, gegen seinen Willen zu handeln. Paradoxerweise, so beharrt der Roman, spricht diese Einsicht den Menschen nicht frei von Schuld. Selbst für seine ungewollten und unter Zwang ausgeführten oder unterlassenen Taten wird der Mensch nicht aus seiner Verantwortung entlassen. John Grady jedenfalls, so deutet das Ende des Romans an, wird an der Erfahrung, unschuldig schuldig geworden zu sein, noch eine ganze Weile zu leiden haben; wie im Leben gibt es in McCarthys Romanen nur selten zweite Chancen.

Was dieses Buch jedoch in erster Linie auszeichnet, genauso wie alle Romane McCarthys, ist die schier unfassbare Originalität der sprachlichen Formulierungen. In McCarthys Händen wird sogar so ein altbekanntes, um nicht zu sagen abgedroschenes Genre wie der Western zu einer neuen Erfahrung. Er schafft es, den zur Genüge vertrauten Versatzstücken – der imposanten Wüstenlandschaft, den Pferden und Kühen, der Gewalt und den Ritten in den Sonnenuntergang – einen völlig neuen Anstrich zu geben, so dass man den Westen ganz anders sieht als vorher.

Cormac McCarthy: All the Pretty Horses | Englisch
Alfred A. Knopf 1992 | 320 Seiten | Jetzt bestellen