Nichts gegen Jesus, aber die Sanftmütigen werden die Erde nicht besitzen. Dem Reality-TV nach zu urteilen, werden die Großmäuligen sich alles unter den Nagel reißen. Und ich sage: Lasst sie doch. Die Kardashians und Baldwins sind wie eine invasive Spezies. Wie die Kopoubohne oder die Zebramuschel. Sollen sie sich doch um die Herrschaft über die beschissene reale Welt prügeln.
Eine lange Zeit hörte ich auf meinen Onkel und sprang nicht von der Klippe. Aber mittlerweile weiß ich nicht mehr so recht. Die Zeitungen warnen uns vor terroristischen Anthraxbomben und neuen virulenten Mutationen von Meningitis, und der einzige Trost, den sie uns anbieten können, ist ein Gutschein über 20 Cent Rabatt für ein Achselhöhlendeodorant.
Berühmt wurde Chuck Palahniuk mit seinem Roman »Fight Club« und dessen Verfilmung. Als Kritiker und Chronist der amerikanischen Gesellschaft gelingen ihm in diesem Erzählband messerscharfe Einblicke in eine orientierungslose Kultur.
In »Zombie« verpassen sich Jugendliche mit Defibrillatoren freiwillig eine Lobotomie. Nicht die verzweifelten, sondern die klügsten und bestaussehendsten einer Generation. In »Neigungen« werden homosexuelle Jungen von ihren Eltern in ein teures Umerziehungslager gesteckt. Doch alle haben ihre sexuelle Orientierung nur vorgegeben, um Nutzen aus ihrer angeblichen Heilung zu ziehen.
Der Mitarbeiter eines Call-Centers beteuert bei seinen Anrufen vergeblich, dass er ein weißer Amerikaner ist, doch niemand will ihm glauben. Auf einem bizarren Musik-Kunst-Festival geschieht ein rätselhafter Todesfall. Ein Erotiktänzer mit Epilepsie muss um seine Karriere fürchten.
Keine heilige Kuh, der Palahniuk nicht mit einem Bolzenschussgerät nachsetzt. Das ist oft völlig irrwitzig, aber leider nur minimal übertrieben. Der Ideenreichtum, die satirische Überspitzung, der Sarkasmus und die intelligente Analyse machen aus dem »Jetzt bist du dran!« ein echtes Vergnügen.
Der Festa-Verlag ist bekannt und berüchtigt für unappetitliche Romane von unfassbarer Brutalität. Die Werbezeile »Wenn Lesen zur Mutprobe wird« sollte auf jeden Fall ernst genommen werden. Mein Magen ist zu schwach für viele Titel im Programm, obwohl ich die schriftstellerischen Fähigkeiten eines Edward Lee oder Wrath James White durchaus zu schätzen weiß. Vor allem aber sind es Autoren wie Stephen Hunter, Matthew Reilly, Joe Hill und eben Chuck Palahniuk, die den Verlag für mich so interessant machen.
»Jetzt bist du dran!« ist als Band 1 der Reihe »Must read« erschienen. Ein sehr treffender Titel.
Chuck Palahniuk: Jetzt bist du dran! | Deutsch von Manfred Sanders
Festa Verlag 2016 | 414 Seiten | Jetzt bestellen