Charles Fosters »Being a Beast« ist eines der wenigen Bücher, die ich kenne, in denen der Autor sich im Vorwort für sein Werk entschuldigt. Das irritiert, wie der ganze Text immer wieder auf positive Weise. »Being a Beast« verstört und überrascht ständig, man weiß nie so recht, was man davon halten soll. Foster, studierter Tierarzt und Anwalt, wollte herausfinden, wie es sich anfühlt, ein Tier zu sein. Dafür lebte er eine Zeit lang wie ein Dachs, ein Otter, ein Fuchs, ein Hirsch und eine Schwalbe. Er wollte in ihre Haut schlüpfen und habe gehofft, als Resultat sei wenig von ihm selbst die Rede.
Das hört sich naiv an, aber Foster nimmt sein Experiment gleichzeitig ernst und macht sich darüber lustig. Er bringt den Leser auf den neuesten Stand der neurowissenschaftlichen Forschung über die Sinneswahrnehmungen von Tieren und darüber, was sich in ihrem Gehirn abspielt – und lädt alle, die nicht von seinem Experiment überzeugt werden müssen, ein, das Kapitel zu überspringen.
Fosters Ansatz ist durchgehend paradox: Einerseits versucht er, den Tieren so nahe wie möglich zu kommen, indem er ihr Verhalten eins zu eins imitiert. Er schläft also im Freien, isst Würmer und Abfälle, bewegt sich auf allen Vieren fort, schwimmt im Wasser oder lässt sich von Hunden verfolgen. Andererseits ist klar, dass sich all das für einen Menschen ganz anders anfühlt als für ein Tier. Der Erfahrung eines Otters im Wasser zum Beispiel, stellt Foster fest, komme er mit Neoprenanzug näher als nackt.
Als Dachs in Wales und Fuchs in London schlägt er sich ganz gut – auch im Umgang mit besorgten Passanten und verständnislosen Polizisten. Otter jedoch mag er schon vor seinem Experiment gar nicht und mit Hirschen hat er als ehemaliger, wenn auch bereuender Jäger so seine Probleme. Er könne schlicht nicht nachvollziehen, wie es sei, ein Beutetier zu sein, zu dessen Leben es gehöre, gefressen zu werden.
Erfolg- und aufschlussreich ist Fosters Experiment in vielerlei Hinsicht. Er kehrt mit geschärften Sinnen aus dem Leben als wildes Tier zurück. Die Stadt erscheint ihm unerträglich laut und stinkend. Er hat also sein Ziel erreicht, seine verkümmerten natürlichen Anlagen aufzuwecken und zu trainieren. Das befähige ihn auch zu einem volleren, besseren Leben als Mensch. Außerdem hat er andere wertvolle Erkenntnisse gewonnen, die ihn umtrieben: Ist es möglich, über jemand anderen, egal ob Mensch oder Tier, wirklich etwas zu wissen? Was bedeutet es, Mensch zu sein? Und woraus besteht eigentlich das Ich?
Fosters radikales Experiment lehrt auf jeden Fall einiges über die Möglichkeiten und Grenzen, Empathie zu empfinden, die Perspektive zu wechseln und sich in andere hineinzuversetzen.
Charles Foster: Being a Beast | Englisch
Profile Books Lonfdon 2016 | 256 Seiten | Jetzt bestellen
Deutschsprachige Ausgabe:
Charles Foster: Der Geschmack von Laub und Erde: Wie ich versuchte, als Tier zu leben
Deutsch von Gerlinde Schermer-Rauwolf und Robert A. Weiß
Malik 2017 | 288 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen