Bret Easton Ellis: WeißDer amerikanische Schriftsteller Bret Easton Ellis macht sich in seiner Essaysammlung »Weiss« Gedanken über Politik und möchte eigentlich lieber über Kunst reden.

Mehr als vierzigmal hat Bret Easton Ellis Donald Trump in seinem 1991 erschienenen Skandalbuch »American Psycho« erwähnt. Er stand dort stellvertretend für eine liberale Gesellschaftsschicht, deren einziger Erfolg der in Dollar zu beziffernde wirtschaftliche Erfolg ist. Der Protagonist des Romans, der Yuppie und (vermeintliche) Serienkiller Patrick Batemen, wusste damals natürlich nicht, dass Trump dereinst Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden würde, dessen (Neo-)Liberalismus sich in der Zwischenzeit in einen brutalen Nihilismus verwandelt hatte, der durch eine patriotische Tünche nur mühsam konservativ verbrämt wird.

Seit der Wahl Trumps ist Amerika tief zerrissen. Ellis behauptet, dass sowohl sein Bekanntenkreis als auch er selbst in dieser Frage gespalten sei:

»Ich hatte gar nicht gewählt, nicht nur, weil ich ohnehin im sicher demokratischen Kalifornien lebte, sondern weil mir während des Wahlkampfes klar geworden war, dass ich weder Konservativer noch Liberaler war und dass keine der beiden Parteien mich überzeugte. (…) Da ich also nicht gewählt hatte, durfte ich mich nicht über den Ausgang beschweren, und ich tat es auch nicht.«

Mehr noch: Im Grunde – schreibt Ellis – interessiere ihn Politik nicht, und er würde sich mit seinen Freunden lieber »wie immer über Filme und Bücher und Musik unterhalten«, da er »im Grunde Romantiker sei«, der »nie geglaubt« habe, »dass Politik das dunkle Herz der menschlichen Probleme und unserer gesetzlosen Sexualität lösen« könne.

Diese Haltung mag auf den ersten Blick »neutral« wirken, doch verkennt Ellis die Bedeutung der Politik für das alltägliche Leben jedes einzelnen und der Gesellschaft als Ganzes. Immer wieder mokiert sich Ellis über die vermeintliche Hysterie, mit der viele Menschen – darunter auch sein Partner – in den USA auf die Wahl Trumps reagiert hätten. Sie sollten doch den Wahlausgang mit Würde tragen und das nächste Mal ganz einfach eine bessere Kandidatin aufbieten.

Dies verkennt jedoch, dass Trump demokratische Spielregeln nicht anzuerkennen bereit scheint. Seine aggressive Wahlkampfführung, die mit offensichtlichen Lügen, mit Verleumdungen, mit Beleidungen und mit dem gezielten Streuen von Gerüchten arbeitete, hat dazu geführt, dass sich die Fronten schon vor seinem Wahlsieg verhärtet hatten. Die Unsinnigkeit des amerikanischen Wahlsystems – Hillary Clinton hatte drei Millionen mehr Wählerstimmen, Trump jedoch die Mehrheit im Wahlmännerkollegium – kann man Trump nicht vorwerfen. Dass er jedoch eine Politik betreibt, die erhebliche Zweifel an seiner grundsätzlichen demokratischen Gesinnung lässt, durchaus.

Ellis hat für die Zerrissenheit der amerikanischen Gesellschaft jedoch einen einzigen Schuldigen ausgemacht: die sogenannte »Identitätspolitik«:

»Quer durch das politische Spektrum bestärkt Identitätspolitik die Vorstellung, dass alle Menschen im Grunde Stammesangehörige sind, was natürlich wirkliche Diversität und Inklusion unmöglich macht. Das ist die toxische Sackgasse der Identitätspolitik; sie ist eine Falle.«

Ellis ist weiß, männlich und wohlhabend. Und er ist homosexuell. Doch er glaubt nicht daran, dass diese Sachverhalte seine ganze Wahrnehmung bestimmen:

»(…) Kritiker in den sozialen Medien wollten andeuten, dass meine Hautfarbe ein politischer Irrtum, dass meine bequeme Uninformiertheit ein ernstes Problem sei. Ich würde jedoch dagegenhalten: Auch wenn ich nie die unmittelbare Erfahrung von Armut und Gewalt gemacht habe, auch wenn ich in meiner Jugend nie das Gefühl von Schutzlosigkeit haben musste, so fehlt es mir doch nicht automatisch an Mitgefühl, Urteilskraft oder Verständnis, und niemand kann mich automatisch und mit Recht zum Schweigen auffordern.«

Dies entbehrt tatsächlich nicht einer gewissen Logik. Denn auch wenn Hautfarbe, Geschlecht und Klassenzugehörigkeit bewirken, dass Sachverhalte und Ereignisse unterschiedlich betrachtet und bewertet werden, muss es doch das Ziel sein, einen intersubjektiven Diskurs zu führen, dessen Ziel letztlich die Herstellung eines Konsens ist, der dennoch minoritären Positionen Raum bietet.

Man merkt Ellis natürlich an, dass er den Dissens, die Konfrontation liebt. Er will mit seinem Buch auch nicht versöhnen. Er will ein provozierendes Statement gegen Liberale abgeben, denen er »Gleichschaltung« und einen Hang zum »Faschismus« vorwirft. Womit er ohne Not – das Buch wäre auch ohne Beleidigungen anregend genug – auf das Niveau derjenigen herabsinkt, die Trump als »Nazi« und »Hitler« bezeichnen – und damit letztlich den historischen Nationalsozialismus verharmlosen.

Bret Easton Ellis: Weiss | Deutsch von Ingo Herzke
Kiepenheuer & Witsch 2019 | 316 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen