Benedict Wells: Hard LandSam ist fünfzehn, an sich schon ein schwieriges Alter. Noch schwieriger jedoch, wenn man Mitte der Achtziger Jahre in einem kleinen Kaff im amerikanischen Nirgendwo sein Dasein fristen muss. Damit aber leider nicht genug. Sam ist zu allem Überfluss auch noch ein Außenseiter wie er im Buche steht. Freunde findet er keine. Seine aus der Pubertät und seiner ganz speziellen Situation resultierenden Wutanfälle helfen da auch nicht wirklich weiter.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass er beim weiblichen Geschlecht vollkommen abgemeldet ist, die pubertäre Weiblichkeit von Grady nimmt seine Existenz überhaupt nicht zur Kenntnis. Seine Mutter ist an Krebs erkrankt und ihr Zustand sowie die damit einhergehenden Begleiterscheinungen belasten das Familienleben sehr. Sein Vater ist arbeitslos, nachdem die Fabrik, in der er gearbeitet hatte, dicht gemacht hat. Es gibt einfachere Lebensumstände.

Damit ihr Sohn etwas anderes sieht und überhaupt mal unter Menschen kommt, verfallen seine Eltern auf die grandiose Idee, ihn in den Ferien zu seinen Cousins Jimmy und Doug zu schicken, die ihn schon früher mit großer Freude etwas zu rustikal behandelt haben. Dem kann sich Sam entziehen, indem er im örtlichen Kino einen Job annimmt, der sein Leben verändern wird. Hier trifft er eine Clique, bestehend aus zwei Jungen und einem Mädchen, die sich dort mit Filmen und gemeinsamem Abhängen die komatöse ländliche Langeweile vertreibt.

Die drei kennen sich schon länger, sind eine verschworene Gemeinschaft und etwas älter als Sam und werden Grady in Kürze verlassen, während Sam dort zurückbleiben wird. Zunächst bleibt er außen vor, erst mit der Zeit wird er in ihre Gruppe integriert und hat dann erstmalig das Gefühl, wirklich dazuzugehören. Natürlich verliebt er sich in die rätselhafte Kirstie, die ihn aber auf Distanz hält, und auch wenn er im Laufe der Geschichte das Gefühl hat, es könnte sich doch etwas zwischen ihnen ergeben, entwindet sie sich ihm immer wieder. Über Sympathie scheint das Ganze nicht hinauszugehen.

Durch seine neuen Freunde gewinnt Sam an Selbstbewusstsein und im Laufe des Buches wird er reifer, was auch an der Situation daheim liegt. »Hard Land« erzählt von der Schwelle zum Erwachsenwerden und dem Überschreiten derselben. Interessanterweise spielt das Buch im Jahr 1985. Der Autor selbst wurde 1984 geboren, hat diese Zeit also bewusst kaum miterlebt. Umso erstaunlicher, wie perfekt es ihm gelingt, das Gefühl dieser Zeit wieder auferstehen zu lassen. Wer selbst damals jung gewesen ist, darf sich auf eine wunderbare Zeitreise zurück freuen, in eine Zeit, in der man seine Lieblingsmusik als Mixtape im Walkman bei sich trug und in der sich ein Alter Ego Sams namens Marty McFly anschickte, auf der großen Leinwand seine kleine Welt zu erobern.

Für Insider auch sehr schön ist die Hommage des Autors an seinen Kumpel Joey Goebel, die sich im Buch findet und die Goebel-Fans natürlich sofort erkennen werden. Und damit meine ich nicht (nur) den Buchtitel, der phonetisch gleichlautend mit einem bekannten goebelschen Meisterwerk ist.

»Hard Land« ist ein großartiger Trip zurück in die Achtziger, ein äußerst kluges und berührendes Buch und für mich schon jetzt der lesenswerteste Roman des noch jungen Jahres.

Benedict Wells: Hard Land | Deutsch
Diogenes 2021 | 352 Seiten | Leseprobe und mehr | Bestellen