Andreas Pflüger: EndgültigAaron riecht Jodtinktur. Beim Rasieren geschnitten. Sie will nicht, aber ihre linke Hand will, fasst unter seine Lederjacke und streift den Griff der Waffe. Eine Makarov Single Action.

Er nimmt ihren Koffer, sie gehen zum Ausgang. Früher trug Aaron meist flache Schuhe. Als Blinde sind die stählernen Absätze der Hochhackigen ihr Echolot. Auf hartem Untergrund wie hier, doch nur an ruhigeren Orten, in geschlossenen Räumen. Im Terminal ist es zu laut. Aaron driftet durch einen Dom aus Lärm, dem Raunen, Rufen, Palavern vieler Stimmen, rumpelnden Gepäckwagen, bimmelnden Handys, Babygezeter, einer scheppernden Durchsage in schlechtem Englisch und einer zweiten, deutschen, die sich dazwischenschummelt und mit der anderen kabbelt.

Jenny Aaron wurde als Mitglied einer Sondereinheit im Einsatz verletzt und ist dadurch erblindet. In langem, harten Training hat sie seitdem gelernt, mit ihrer Behinderung zurechtzukommen und sich inzwischen auch einen hervorragenden Ruf als Vernehmungsspezialistin erarbeitet.

Fünf Jahre später rufen ihre ehemaligen Kollegen sie bei einem neuen Fall zu Hilfe. Der lebenslänglich inhaftierte Frauenmörder Reinhold Boenisch, gegen den Aaron als junge Polizistin ermittelte, hat im Gefängnis eine Psychologin getötet. Nun verweigert er jede Aussage zur Tat und verkündet, dass er nur mit Jenny Aaron sprechen würde.

Interessanter als der Fall ist anfangs der Umgang von Jenny Aaron mit ihrer Blindheit. Die Echoortung, mit der sie ein »Bild« ihrer Umgebung gewinnt, ist spannend geschildert. Die Verbissenheit, mit der sie sich diese Fähigkeiten antrainiert hat, passen exakt zu dem geschilderten Charakter. Als Tochter eines ehemaligen GSG-9 Kämpfers ist Aufgeben für sie keine Option. Von daher ist die Hauptfigur stimmig und rund gelungen. Außerdem bietet sie genug Potenzial für eine Serienheldin, auch wenn die Fähigkeiten manchmal schon sehr dick aufgetragen sind und in Richtung des Marvel-Superhelden Daredevil gehen.

Obwohl es sich um einen ernsten und harten Thriller handelt, blitzt stellenweise auch etwas Humor auf. In Form der Top-Ten-Listen von Jenny Aaron, die immer wieder eingeschoben werden: Dinge, die sie gerne oder nicht gerne riecht, schmeckt, hört oder anfasst.

»Endgültig« ist ein spannender Thriller, der mit einer überzeugenden Hauptfigur und allen übrigen Zutaten glänzt, die gelungene Unterhaltung ausmachen. Autor Andreas Pflüger hat bereits die Drehbücher zu mehreren Tatorten geschrieben. Er ist Co-Autor aller Weimar-Tatorte mit Christian Ulmen und Nora Tschirner. Die Fortsetzung von »Endgültig« ist vor kurzem unter dem Titel »Niemals« erschienen.

Andreas Pflüger: Endgültig Deutsch
Gelesen von Nina Kunzendorf | Dauer: 13 Std. und 4 Min.
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