Amélie Nothomb: Kosmetik des BösenWie man so hört, werden im französischsprachigen Raum Neuveröffentlichungen der aparten Belgierin Amélie Nothomb immer wieder gerne kontrovers diskutiert. Kalt lassen sie wohl die wenigsten. Das dürfte bei dem im Jahre 2004 erschienenen Roman »Kosmetik des Bösen« kaum anders gewesen sein.

Worum geht es? Jérome Angust, ein erfolgreicher Geschäftsmann, wird Opfer eines der unliebsamen Phänomene unserer Zeit: nämlich der Not, sich nicht fortbewegen zu können/dürfen, sprich: Er hängt unfreiwillig am Flughafen fest. Das an sich ist schon ärgerlich und überflüssig. Wenn man dann auch noch das Pech hat, Opfer einer so penetranten Nervensäge wie Textor Texel (ein Name, der geradezu nach Dechiffrierung schreit) zu werden, kann man schon mal leicht die Nerven verlieren.

Textor Texel drängt seinem ahnungslosen Gegenüber ein Gespräch auf, ob dieser nun will oder nicht. Zunächst nervt er den armen Jérome mit seinen eigenen bizarren Kindheitserinnerungen und mit seinen abstrusen Theorien von der Welt und seinem Verhältnis zu Gott. Irgendwann im Laufe des zunächst fast reinen Monologs wird das Interesse von Jérome Angust geweckt, eine fatale Neugier, die zunehmend auf jene Katastrophe zusteuert, mit der das Buch später endet. Eine Chance, dieser Katastrophe zu entgehen, hat der Geschäftsmann nie gehabt, wie wir später feststellen werden.

Mit dem »Holländer« Texel hat Amélie Nothomb dem Bösen ein Gesicht gegeben und zugleich eine Figur geschaffen, die auf einer glanzvollen Linie mit anderen Wahnsinnigen der Weltliteratur steht, sei es Stephensons »Mr. Hyde« oder der Doppelgänger aus der gleichnamigen Geschichte von Dostojewski. Die »Kosmetik des Bösen« folgt ihren eigenen logischen Gesetzen. Geschickt und konsequent webt Texel darin den Gedankenteppich, der später das Unaussprechliche zur Schau stellen wird. Und wir kommen möglicherweise zu dem Schluss, dass der Wahnsinn in uns allen lauert, nur bei dem einen oder anderen vielleicht etwas besser unter Verschluss gehalten.

Bei einem so kurzen Buch (ganze 106 Seiten) läuft man fast schon Gefahr, dass die Besprechung länger wird als das Werk selbst. Der potenzielle Leser sollte sich von der quantitativen Überschaubarkeit des Buches aber auf keinen Fall abschrecken lassen. La Nothomb hat das Kunststück vollbracht, auf diesen gut 100 Seiten einen Dialog zu komponieren, der den Leser in seinen Bann schlägt, zunächst auf amüsante Weise, später betörend, schließlich verstörend.

Vergessen kann man das Buch nicht mehr. Und was das Ende des Romans angeht: Je t´adore, Amélie.

Amélie Nothomb: Kosmetik des Bösen | Deutsch von Brigitte Große
Diogenes 2005 | 106 Seiten | Jetzt bestellen