Alex Capus: Glaubst du, dass es Liebe war?Vermutlich mochten die Damen ihn, gerade weil er ein Schweinehund war und nicht die geringste Anstrengung unternahm, das zu verheimlichen. Das war der Unterschied zwischen ihm und den anderen Männern: Von ihm wussten sie, dass er ein Schweinehund war, von allen anderen nahmen sie es nur an.

Es gibt genügend Gründe, Harry junior unsympathisch zu finden. Der krasseste: Er stiehlt seiner Mutter die Geldbörse, noch während sie nach ihrem Selbstmord von einer Buche baumelt, und lässt ihre Leiche hängen. Im Vergleich dazu wirken seine anderen Vergehen schon fast harmlos: Er betrügt die Lieferanten und Kunden seines Fahrradgeschäfts, das er vom Vater übernommen und modernisiert hat, er hat Affären mit verheirateten und nicht verheirateten Frauen, zahlt weder seine Schulden noch seine Steuern und als seine aktuelle Geliebte Nancy schwanger wird, fälscht er ihren Schwangerschaftstest, lässt sie sitzen und haut ab nach Mexiko.

Trotzdem ist Harry junior bei den Einwohnern seiner Schweizer Heimat ebenso beliebt wie bei denen des mexikanischen Dorfes, in dem er sich niederlässt und einen Surf-Shop aufmacht, der sein Fahrradgeschäft ebenso getreu spiegelt wie das eine Dorf das andere. Das ist gleichzeitig eine der Haupterkenntnisse, die Harry durch seine Auswanderung gewinnt: dass sich die Menschen und die sozialen Gefüge in denen sie leben, auf der ganzen Welt ähneln.

Harry scheut jede Anstrengung und Verantwortung, bis ihn eines Tages der Tod eines Saufkumpans dazu bringt, sich zu ändern. Er lernt thailändisch, weil Nancy Thailänderin ist, zahlt seine Schulden und kehrt nach über sieben Jahren Abwesenheit nach Hause zurück.

Dort findet er Nancy und den gemeinsamen Sohn vor und stellt fest, dass sich sein Vater um die beiden gekümmert und so gut wie seine eigene Rolle in der Familie eingenommen hat. Nancy macht ihm keine Vorwürfe, bringt ihn aber ironischer Weise dazu, mit ihrer Mutter und dem Sohn nach Thailand zu ziehen und sich dort um die beiden zu kümmern, so wie Harrys Vater sich um sie gekümmert hat, weil sie Geld verdienen will, »solange sie es verdienen kann.«

Capus erzählt die Geschichte auf seine übliche vordergründig absichtslose Art und bringt wie so oft die Schicksale von mehreren Nebenfiguren zur Sprache, die die eigentliche Handlung nicht berühren, aber Perspektive schaffen. Wie immer erklärt er seine Figuren nicht groß psychologisch, sondern beschränkt sich auf die Schilderung der Ereignisse. Am Ende nimmt der Roman eine überraschende Wendung, die den Leser zur Titelfrage zurückführt.

Alex Capus: Glaubst du, dass es Liebe war? | Deutsch
dtv 2005 | 144 Seiten | Jetzt bestellen