Die Büchergilde Gutenberg ist die letzte noch existierende Buchgenossenschaft im deutschsprachigen Raum. Gegründet am 29. August 1924 in Leipzig beging sie anlässlich ihres einhundertjährigen Bestehens in ihrer Geburtsstadt vom 29. – 31.08.2024 ein langes Festwochenende mit unterschiedlichen Veranstaltungen. Unbedingt sehenswert ist die dazu gehörige Ausstellung »Vorwärts mit heiteren Augen! 100 Jahre Büchergilde Gutenberg« im dortigen Museum für Druckkunst, die noch bis 10. November dieses Jahres zu sehen ist.

Ich hatte eine Einladung zum Genossenschaftsabend am Freitag und fuhr nach einer Geschichte für diese Website suchend bereits am Nachmittag in die Leipziger Nonnenstraße (Sitz des Druckkunstmuseums). Dort zog mich der Verein für die Schwarze Kunst e.V. mit einer besonderen Präsentation in seinen Bann. Ich kam mit dessen Vorsitzenden, Dr. Jürgen Franssen, und seiner engagierten jungen Kollegin ins Gespräch. Spürbare Leidenschaft erfüllte den Raum.

Der Verein fördert und hilft die traditionellen Berufe des Schriftgießers, Schriftsetzers und Buchdruckers zu bewahren. Er kümmert sich um die Weitergabe des handwerklichen Könnens und um die Wissensvermittlung an die nachfolgenden Generationen. »Eine Möglichkeit ist die Walz«, erläuterte Dr. Franssen.

»So erhalten Freunde künstlerischer Handwerksberufe in über zwanzig verschieden Werkstätten die Gelegenheit, Grundlagen der schwarzen Kunst zu erlernen und eigene Projekte umzusetzen. Für die zweimonatige Wanderung kann man sich bewerben und, wenn man unter dreißig Jahre alt ist, sogar ein Stipendium erhalten.«

Gegen eine kleine Spende erhielt ich eine Walzpostkarte mit einem Gedicht von Christian Morgenstern. Dass hinter dem abgedruckten Gedicht ein aufregendes Buchprojekt steckt, erfuhr ich beim Anfühlen echten Büttenpapiers. Es wurde eigens für die Herstellung eines Buches zum 111. Todestag von Christian Morgenstern in der Papiermühle Homburg bei Johannes Follmer geschöpft. Was für eine Arbeit! Wie gleichmäßig und doch lebendig sich Papier anfühlen kann!

Die Handsatzarbeiten, Pressendrucke und Illustrationen werden von Stipendiaten des Vereins für die Schwarze Kunst e.V. angefertigt. Buchbinder*innen der MDE (Meister der Einbandkunst) kümmern sich um die Gestaltung der Einbände. Insgesamt werden 200 Exemplare gedruckt, 111 Bücher werden in Zusammenarbeit mit der Büchergilde verkauft. Begeistert spricht Dr. Franssen über seine Netzwerkarbeit und die spannenden Projekte der Schwarzen Kunst. Wer so Gemeinschaft lebt, schafft gemeinsam Wertvolles.

Auch Alexander Elspas, der Vorstandsvorsitzende der Büchergilde Gutenberg Verlagsgenossenschaft, ist ein überzeugter Netzwerker, verrät er mir im persönlichen Gespräch während des Genossenschaftsabends. Wir plaudern darüber, dass es ihm ein Anliegen ist hinauszugehen, gezielt Menschen für die Konzepte der Büchergilde zu begeistern und sie so an die Buchgemeinschaft zu binden. Ich erfuhr, dass einige prominente Vertreter*innen aus Politik und Wirtschaft mit dem Chef der Büchergilde im regen Austausch stehen. Wir sprachen über die wirtschaftliche Lage, die stets auf das Wohl der Genossenschaftsmitglieder und den Erhalt der Buchgemeinschaft ausgelegt ist.

»Hier gibt es noch Luft nach oben«, so Elspas. Jedes neue Mitglied sowie neue Genossenschaftler*innen sind immer willkommen. Als Mitglied kauft man vier Bücher im Jahr. Mir persönlich gefällt, dass engagierte Fachleute für mich in jedem Quartal eine qualitativ hochwertige Auswahl aus einer unübersichtlichen Menge an Neuerscheinungen treffen, aus der ich in aller Ruhe aussuchen kann. Dabei nehmen mich das Material, die Gestaltung und Illustrationen sowie die damit verbundenen vielen kleinen Details, die man oftmals erst nach und nach entdeckt, immer wieder von neuem ein. Auch, dass bei der Produktion Aspekte der Nachhaltigkeit in den Fokus rücken, gefällt mir.

Der Sitz der Buchgenossenschaft im Hause des Börsenvereins des deutschen Buchhandels im Frankfurter Haus des Buches sei eine weitere gute Voraussetzung für fruchtbringende Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten, sagte Elspas zum Abschluss unserer kleinen Unterhaltung. In meinem Kopf verankert hat sich sein Statement zum Fortbestand des Buches: »Rechenzentren ächzen eher unter der anhaltenden Hitze als Bücher … Sie liegen hier, man kann sie sofort anfassen«, lesen und selbstverständlich darüber sprechen. Eines der Jubiläumsausgaben zum 100. Geburtstag der Büchergilde hat den Weg nach Magdeburg gefunden und wird demnächst hier vorgestellt.

Impressionen von der Veranstaltung