Jonathan Franzen: Freedom… craving sex with her mate was one of the things (OK, the main thing) she’d given up in exchange for all the good things in their life together.

Wie schon »The Corrections« ist Franzens neuer Roman »Freedom« ein amerikanisches Familiendrama mit originellen, lebensechten Charakteren, die einen gleichzeitig zum Lachen und fast zum Weinen bringen.

Patty, Walter und Richard lernen sich im College kennen. Patty, die erfolgreich Basketball spielt, ist fast ausschließlich mit ihrem Sport beschäftigt – und mit dem Konkurrenzkampf, den sie ihr Leben lang mit ihren Schwestern austrägt. Walter Berglund ist ein politisch engagierter, bildungshungriger Idealist, der seine Kindheit und Jugend hauptsächlich damit verbracht hat, zu lernen und im elterlichen Hotel zu arbeiten, um seine Mutter zu unterstützen, weil sein Vater Alkoholiker ist. Richard Katz ist der stereotype Rockmusiker, dessen Haupteigenschaft darin besteht, cool zu sein, mit so vielen Frauen wie möglich zu schlafen und sie nicht sonderlich gut zu behandeln. Erst als er jenseits der 30 ist, kommt ihm die Erkenntnis: instead of trying to fuck the girls he hated, why not simply snub them for real?

Durch Zufall werden Walter und Richard auf dem College Zimmergenossen und es entsteht eine Freundschaft zwischen ihnen, die ebenso intensiv und komplex ist wie der unterschwellige Konkurrenzkampf der beiden. Richard bewundert Walters Idealismus, Walter Richards Leidenschaft für seine Musik. Beide verlieben sich in Patty. Sie fühlt sich körperlich mehr von Richard angezogen als von Walter, weiß aber, dass Richard sie behandeln wird wie er alle seine Frauen zu behandeln pflegt. Richard selbst zögert wegen seiner Freundschaft mit Walter, mit Patty zu schlafen, solange sie Walter noch Hoffnungen macht. Patty macht zunächst Schluss mit Walter und unternimmt einen Road Trip mit Richard, bricht ihn aber auf halbem Weg ab, weil sie sich von Richard verachtet fühlt. Sie geht zurück zu Walter und heiratet ihn.

Ungefähr zwanzig Jahre später betrügt Patty Walter dann doch noch mit Richard, der inzwischen ein erfolgreicher Musiker ist. Sie leidet seit Jahren an Depressionen. Joey, der Sohn von Patty und Walter, verfolgt in Opposition zu seinem weltverbessernden Vater als Hauptlebensziel, viel Geld zu verdienen und Profit aus dem Irakkrieg zu schlagen. Er ist seit seiner Kindheit mit der Tochter der Nachbarn der Berglunds, Connie, zusammen. Connie ist Joey treu ergeben und er behandelt sie auch nicht viel besser als einen Hund.

Während Joey (mit Connies Erlaubnis) mit mehr als einer anderen Frau schläft, unter anderem auch mit Jenna, der atemberaubend schönen Schwester eines Collegefreundes, reagiert er zu Tode gekränkt, als er erfährt, dass Connie (ebenfalls mit Joeys Erlaubnis) mit einem einzigen anderen Mann geschlafen hat. Jennas überzogene Geldgier und ihre reiche, jüdische Familie bringen Joey schließlich zu der Erkenntnis, dass er sich in zu tiefes Wasser gewagt hat. Wie Jenna ihm vorausgesagt hat, ist er zu nett für die Wall Street.

Walter flüchtet vor seiner depressiven und sexuell frustrierten Frau zu seiner indischen und fast zwanzig Jahre jüngeren Assistentin Lalitha, mit der er eine Zeit lang gegen die Überbevölkerung und das Artensterben kämpft. Um die Jugend für seine Umweltprojekte zu begeistern, überredet er Richard, sich als Hauptattraktion für ein Sommerfestival zur Verfügung zu stellen. Richard sagt zu, aber nur, weil er Walter etwas antun will, was er für einen Gefallen hält – ihm Patty erneut auszuspannen, damit Walter sich frei fühlt, mit seiner Assistentin zu schlafen:

While Walter held forth on the subject of college kids, Katz strained to hear what Patty was doing in the kitchen. The essential pussiness of his situation was coming home to him. The Patty he wanted was the Patty who didn’t want Walter: the housewife who didn’t want to be a housewife anymore; the housewife who wanted to fuck a rocker. But instead of just calling her up and saying he wanted her, he was sitting here like some college sophomore, indulging his old friend’s intellectual fantasies. What was it about Walter that so knocked him off his game?

Nach einem tödlichen Unfall, zwei Selbstmordversuchen und einer entführten Hauskatze, die zu viele heimische Singvögel tötete, finden zumindest zwei der drei Hauptfiguren wieder zusammen. »Freedom« ist dank der katastrophalen Situationen, in die die Figuren sich aufgrund ihrer fixen Ideen ständig hineinmanövrieren, durchgehend spannend, unterhaltsam und bewegend. Dabei ist der Roman sehr nah an der aktuellen amerikanischen Gesellschaft und ihren Problemen dran – die Geschichte fängt in den 70ern an und geht bis in das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts.

Jonathan Franzen: Freedom | Englisch
Harper Collins 2010 | 578 Seiten | Jetzt bestellen