Daniel Kehlmann: Geister in Princeton1978 stirbt der Mathematiker Kurt Gödel in Princeton. Das paranoide Genie hat sich aus Angst vor Vergiftung zu Tode gehungert. Seine Frau Adele, die jahrelang sein Essen vorkostete, steht an seinem Sarg und beklagt sich über die wenigen Besucher. Ein Abgesandter der österreichischen Botschaft verleiht am Sarg posthum den Großen Staatspreis zweiter Klasse der Republik Österreich. Gödel hatte nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland in die USA fliehen müssen, da man ihn irrtümlich für einen Juden hielt, was ihm im Verlauf seines Lebens noch öfter geschieht. Er erhält eine Professur in Princeton und beginnt eine langjährige Freundschaft mit Albert Einstein.

Beobachtet und kommentiert wird all dies vom verstorbenen Kurt Gödel. Er, der Zeit seines Lebens Geister sehen konnte, ist nun ebenfalls ein Geist. Einst hatte er bewiesen, dass Zeitreisen zumindest theoretisch möglich sind, und nun reist er an die entsprechenden Stationen seiner eigenen Lebensgeschichte, die geprägt ist von der kaisertreuen Mutter, der Liebe zu einer Revuetänzerin und dem harten Alltag zwischen Wahnvorstellungen und Verschwörungstheorien.

Trotz aller Tragik in Gödels Lebensgeschichte wird sie mit erstaunlich viel Humor und Ironie erzählt: Die Diskussionen mit Einstein, das Ringen mit dem amerikanischen Einbürgerungstest, die Auseinandersetzung mit den russischen Zöllnern und natürlich die Konfrontationen mit den Geistern: wenn Gödels Frau vorgibt, sie sehen zu können und er stets deren Position korrigieren muss.

Ich bevorzuge Hörbücher gegenüber Hörspielen, da ich beim Autofahren Soundeffekte wie Schüsse oder Bremsenquietschen als störend und irritierend empfinde. In diesem Fall muss ich allerdings eine Ausnahme machen, denn eine andere Umsetzung erscheint mir im Nachhinein nicht vorstellbar.

Man muss die Virtuosität loben, mit der die Sprecher ihre Aufgabe meistern. Ohne eine zusätzliche Erklärung erschließt sich die verschachtelte Geschichte, die zwischen Gegenwart und Vergangenheit wechselt und an einer Stelle sogar den erwachsenen Gödel mit seinem Kindheits-Ich sprechen lässt. Ein anspruchsvolles Hörstück, das die ganze Konzentration des Zuhörers fordert und dafür reich belohnt.

Daniel Kehlmann: Geister in Princeton | Hörbuch | Sprecher: Wolfram Berger, Wenzel Votava
Argon Verlag 2013 | Laufzeit: 78 Min. | Jetzt bestellen