Zeruya Shalev: Späte Familie… jemand, der vor den Flammen um sein Leben rennt, kann nicht innehalten und über seine Handlungen nachdenken.

Im dritten Teil ihrer Trilogie über Liebe und Beziehungen in der heutigen Zeit schreibt Zeruya Shalev aus der Sicht von Ella, 36, die sich zu Beginn des Romans von ihrem Ehemann Amnon trennt. Als sie den Schritt tut, ist sie sicher, dass es die richtige Entscheidung ist, doch bald kommen ihr Zweifel. Anstatt sich über ihre neu gewonnene und lang ersehnte Freiheit zu freuen, fällt sie in eine Depression.

Sie stolpert von einer unüberlegten und überstürzten Tat in die nächste und lässt dabei fast keinen Fehler aus. Sie bittet ihren Mann, zu ihr zurückzukommen, was er ablehnt, lässt sich von seinem besten Freund vergewaltigen und zieht schließlich mit einem anderen Mann zusammen, an dem sie, wie Shalev formuliert, ihr neues Leben festgemacht hat wie ein Fahrrad an einem rostigen Geländer im Treppenhaus. Schon bald geht es nicht mehr darum, ob Ellas Entscheidungen richtig sind, sondern wie man unabhängig von richtig und falsch mit den Konsequenzen fertig wird.

Ellas neuer Mann, Oded, ist der Vater eines Schulfreundes, mit dem ihr Sohn gemeinsam die erste Klasse besucht, und hat gerade seine eigene Frau verlassen. Ähnlich wie Ella selbst kämpft er mit den Wunden, die schon die Beziehung seiner Eltern ihm zugefügt hat. Aus den Scherben ihrer beiden Familien versuchen sie, eine neue aufzubauen, was ihnen allerdings nicht so gelingt, wie Ella (oder der Leser) es sich vorgestellt hat.

Die Geschichte bleibt spannend und überrascht bis zur letzten Seite mit ihren unerwarteten Entwicklungen und sprachlichen Bildern. Ella ist, wie ihr Mann, Archäologin, und beschäftigt sich vielsagend mit dem Auszug Israels aus Ägypten, den man als Geschichte einer Befreiung oder Zerstörung lesen kann. Oded, ihr neuer Mann, steuert als Psychiater, Archäologe der Seele, ganz andere Ansichten bei. Er fragt zum Beispiel, ob das Ganze nicht nur ein Drama ist, das die Seele inszeniert, um sich lebendig zu fühlen.

Zeruyah Shalev: Späte Familie | Deutsch von Mirjam Pressler
BvT Berliner Taschenbuch 2007 | 590 Seiten | Jetzt bestellen