Tom Robbins: Jitterbug PerfumeThe price of self-destiny is never cheap, and in certain situations it is unthinkable. But to achieve the marvelous, it is precisely the unthinkable that must be thought.

Zentrales Thema in »Jitterbug Perfume« ist die Fähigkeit des Menschen, sein Schicksal selbst zu bestimmen. Die Frage, inwieweit das möglich ist, beschäftigt Robbins in mehreren Romanen. Vielleicht ist es nicht verwunderlich, sind wir doch in der amerikanischen Literatur, und der American Dream besagt nun einmal, dass jeder erreichen kann, was er erreichen will. Doch Robbins Figuren ändern ihr Leben manchmal schlicht dadurch, dass sie ihre eigene Realität auf kreative Weise anders wahrnehmen, ohne sie eigentlich zu verändern. In »Jitterbug Perfume« jedenfalls stürzt sich Robbins auf den Extremfall der Selbstbestimmungsfrage: Kann der Mensch dem Tod entgehen? Muss man wirklich sterben?

Alobar, König in grauer Vorzeit, beschließt für seinen Teil, dass er nicht sterben will. Zunächst in sehr konkretem Sinne: Er entzieht sich dem Ritual seines Volkes, nach dem ein König vergiftet wird, sobald erste Anzeichen seines Alterns bemerkbar werden. Anhand von Alobar, dem sein eigenes Leben und seine eigene Persönlichkeit plötzlich wichtiger sind als das Wohlergehen seines Volkes – ein für die damalige Zeit unvorstellbarer Gedanke – zeichnet Robbins die Entstehung und Geschichte des Individualismus nach und beleuchtet, welche Rolle das Christentum dabei spielte. Ernste Themen also, aber in der für Robbins typischen Art sehr komisch vermittelt. Alobar begegnet zum Beispiel wiederholt dem griechischen Gott Pan und hört sich an, wie er darunter leidet, vom Glauben der Menschheit an den christlichen Gott entmachtet zu werden, und man findet in diesem Roman allerlei unterhaltsame Überlegungen und Theorien zur Entwicklung der Menschheit allgemein, insbesondere zur Rolle des Geruchssinns in der Evolution.

Zu Alobar gesellt sich Kudra, die sich weigert, als indische Witwe mit ihrem Ehemann verbrannt zu werden. Gemeinsam entdecken beide nach und nach Mittel und Wege, wie man auch dem natürlich Tod entgehen kann oder ihn zumindest hinauszögert. Natürlich erregt die Langlebigkeit und Unkonventionalität der beiden stets den Argwohn ihrer Nachbarn, sodass sie bald zu steter Wanderschaft verurteilt sind und Kudra sich fragt, ob Altern und Sterben, ein normales Leben, nicht doch vorzuziehen sind. Genauso wird, was das Problem der Selbstbestimmung betrifft, hinterfragt, ob man das, was man erreichen will, überhaupt so ernst nehmen sollte, oder ob es nicht viel zuträglicher für ein glückliches Leben ist, sich selbst nicht so ernst zu nehmen.

Alobar und Kudra versuchen, ein Parfüm zu entwickeln, das Pans Geruch überdeckt, um ihn in die neue Welt schmuggeln zu können. Parallel zu ihrer Geschichte erzählt Robbins die von Priscilla, einer genius waitress im Seattle des 20. Jahrhunderts, die ebenfalls nach einem perfekten Parfüm sucht. Auf derselben Suche sind in New Orleans ihre Ziehmutter und deren Gehilfin, sowie in Paris der Konzern LeFever, während Wiggs Dannyboy, eine weitere Figur in der Gegenwart, Alobars Nachfolge in der Suche nach dem ewigen Leben angetreten hat und genau aus diesem Grund an dem Parfüm interessiert ist. Und doch hat Robbins‘ Roman wenig mit Süskinds »Das Parfüm« zu tun; obwohl es um Leben und Tod geht, bleiben Humor, Spaß und Wortwitz bei der virtuosen Verknüpfung der verschiedenen Erzählstränge im Vordergrund. Wer wissen möchte, wie das unscheinbare Gemüse der roten Beete mit Langlebigkeit und Parfüm zusammenhängt, sollte das Buch unbedingt selbst lesen.

Tom Robbins: Jitterbug Perfume | Englisch
Bantam Books 1984 | 352 Seiten | Jetzt bestellen