Tibor Fischer: Ich raube, also bin ichDer einzige Rat, den ich Ihnen geben kann, sollten Sie mit Drehschwindel in einer fremden Wohnung aufwachen, mit einem gut durchwachsenen Kater, ohne einen Fetzen am Leib, ohne jede Erinnerung, wie Sie hergekommen sind, umgeben von Stapeln Hochglanzmagazinen, die Kinder in nicht jugendfreien Stellungen zeigen, während die Polizei – unter wütendem Hundegebell – mit dem Vorschlaghammer auf die Tür eindrischt, der einzige Rat, den ich anbieten kann, lautet, treten Sie nach Möglichkeit zuvorkommend und höflich auf.

Eddie Coffin ist ein gescheiterter englischer Philosoph, Mitte Fünfzig, fett und faul. Als er wegen geringfügiger Probleme mit den Behörden und veruntreuter Stiftungsgelder das Land verlassen muss, flieht er nach Südfrankreich, um Bankräuber zu werden. Zusammen mit dem einarmigen und einbeinigen Hubert, der außerdem als Bluter an AIDS leidet, gründet er die Denkerbande. Jeder Überfall steht unter einem anderen philosophischen Leitmotiv. Ihre Raubzüge werden zu grandiosen Slapsticknummern, bei denen der Zufall mehr als reichlich bemüht wird. Besonders als sie beginnen, ihre Überfälle im Voraus anzukündigen.

Mit anderen Worten, man kann die Handlung keine Sekunde Ernst nehmen. Aber das hat Tibor Fischer auch keine Sekunde beabsichtigt. Zu dicht ist das Bombardement der Kalauer, zu unglaublich sind die Situationen, in die die beiden Protagonisten geraten. Und man kann dieses Buch immer wieder lesen, so groß ist die Fülle an grotesken Situationen, witzigen Dialogen und bizarren Beschreibungen. Eddie Coffin scheint auf den ersten Blick nur aus negativen Eigenschaften zu bestehen. Aber er macht nie einen Hehl aus seinen Schwächen und allein deshalb gehören ihm die Sympathien des Lesers.

Der einzige Rat, den ich Ihnen anbieten kann, sollten Sie eine Zeitung erwerben, bevor Sie richtig wach sind, und auf der Titelseite eine wohlgeratene Photographie Ihrer selbst entdecken, die Sie als Hardcore-Missetäter ausweist und alle gesetzestreuen Bürger anweist, Sie zu verpfeifen, lautet, rennen Sie nicht gegen einen Laternenpfahl (wie ich es tat).

Tibor Fischer wurde bekannt durch seinen preisgekrönten Roman »Stalin oder Ich« (Under the Frog), der die Geschichte einer ungarischen Baseballmannschaft vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Volksaufstand von 1956 erzählt. In seinem Roman »Die Voyeurin« ist die Ich-Erzählerin eine 5000 Jahre alte Vase, die wirklich schon eine Menge gesehen hat. Seine Kurzgeschichtensammlung »Don’t Read This Book If You’re Stupid« und sein letzter Roman »The Voyage to the End of the Room« sind bisher leider nicht auf Deutsch erschienen.

Rufen Sie nicht die Polizei. Lesen Sie die Klassiker!

Tibor Fischer: Ich raube, also bin ich | Deutsch von Ulrich Blumenbach
Rowohlt 1998 | 409 Seiten | Jetzt bestellen