Robert Sedlack: Ein unvergessliches Jahr im Leben des Fred PickleFred hatte eigentümliche Angewohnheiten, zu denen auch sein doppelläufiges Lachen gehörte. Es war ein Zweiphasenlachen. Der erste Teil klang wie der letzte, verzweifelte Atemzug eines Sterbenden. Der zweite Teil ging hoch wie ein Furzkissen, und das produzierte Fred durch ein Trillern der Zunge an den Backenzähnen. Niemand konnte es nachahmen. Jack hatte es ausprobiert. Er hatte sich fast verletzt und es nie wieder versucht.

Fred Pickle war ein Eishockeystar und hatte eine glänzende Karriere vor sich, bis ein Unfall alles veränderte. Als er aus dem Koma erwacht, ist er geistig und körperlich behindert. Sein Vater, der sich für seinen Sohn nur als Eishockeyspieler interessiert hat, wendet sich von ihm ab, und Fred lebt fortan bei seinem Onkel, einem Schafzüchter, in der kanadischen Provinz. Aber das ist nur die Vorgeschichte und was wie ein amerikanisches TV-Rührstück klingt, ist tatsächlich erfrischend unsentimental und absolut herzerwärmend.

Der Leser begleitet den achtunddreißigjährigen Fred durch ein turbulentes Jahr in seinem Leben. Im Mikrokosmos einer kanadischen Kleinstadt erlebt Fred zahllose Abenteuer. Er legt jedes Jahr eine eigene Eisbahn an, die zum Treffpunkt für die ganze Nachbarschaft wird, er ärgert sich mit Dorfrowdys herum, beschützt die Schafherde seines Onkels und reist seiner Lieblingseishockeymannschaft zu jedem Spiel nach. Als eben diese Mannschaft in die USA verkauft werden soll, setzt er zusammen mit seinem Freund Badger, einem einundachtzigjährigen Berufsrevoluzzer, alles daran, dies zu verhindern.

Das Buch ist flott geschrieben und nur schwer aus der Hand zu legen, weil man ständig wissen möchte, wie es weitergeht. Sedlack schafft eine eigene Welt mit glaubhaften Figuren, in der man sich gerne aufhält. Und Fred Pickle ist jemand, den man sehr gerne begleitet. Erinnerungen an »Forrest Gump« sind unvermeidlich, zumal Fred ein ähnlich liebenswerter Charakter ist, der wegen seiner Schrullen und Macken, seiner Begeisterung und Lebensfreude kein Mitleid, sondern reine Sympathie weckt. Nicht nur bei seinen Nachbarn, sondern vor allem auch beim Leser. Natürlich bleiben da manche Klischees nicht aus, und gelegentlich wird die zuckrige »Lassie«-Atmosphäre etwas überstrapaziert, aber das stört den Genuss nicht wirklich.

Eine Tragikomödie, die vermutlich das Ziel verfolgt, auch harte Männer zum Weinen zu bringen. Bei mir hatte sie es natürlich leichter.

Robert Sedlack: Ein unvergessliches Jahr im Leben des Fred Pickle | Deutsch von
Ulrich Blumenbach | Hoffmann und Campe 2005 | 445 Seiten | Jetzt bestellen