Nadeem Aslam: Maps for Lost LoversAll great artists know that part of their task is to light up the distance between two human beings.

Chanda, die von ihren Brüdern brutal ermordet wird, weil sie unverheiratet mit ihrem Liebhaber zusammenlebt, obwohl einer ihrer Brüder selbst ein außereheliches Verhältnis hat. Ihre Schwägerin, die ihr sechstes Kind abtreiben lässt, weil es wieder nur ein Mädchen ist und kein Sohn. Suraya, die gezwungen ist, nach einem Ehemann auf Zeit zu suchen, um wieder mit ihrem Sohn zusammenleben zu können, wie es das islamische Recht vorschreibt, weil ihr erster Ehemann sich in betrunkenem Zustand von ihr scheiden ließ und sie ihn nur wiederheiraten kann, wenn sie von einem anderen Mann geschieden wurde. (Angesichts der Beschreibungen ihres ersten Mannes fragt man sich als Leser, ob man ihr überhaupt Erfolg wünschen soll.)

Mah-Jabin, deren Ehemann ihr nach ihrer Flucht aus Pakistan schreibt: (Remember the tip of my cigarette on your skin, Mah-Jabin? Keep that fire in mind. The fires of Hell are a thousand times hotter.) … This is the punishment for those who resisted the truth. They’ll have spikes in their flesh. (Remember the sewing needles in your thighs, Mah-Jabin?) Kaukab, die ihr Baby beinahe verhungern lässt, weil sie meint, es während des Fastenmonats nicht tagsüber stillen zu dürfen, und daraufhin von ihrem Ehemann geschlagen wird. Und so weiter.

Nadeem Aslams Roman »Maps For Lost Lovers« ist voll von entsetzlichen Frauenschicksalen, wobei nicht ganz sicher ist, ob es eine Verurteilung der bizarrsten religiösen Vorschriften des Islams bedeutet, oder ob das ganze Leiden nicht auch zumindest zum Teil erst durch die Konfrontation der islamischen Lebensweise mit der westeuropäischen zustande kommt.

In jedem Fall sprachlich sehr schön (und ein wunderschöner Titel), und es ist dem Künstler auch gelungen, mit diesem Buch den Abstand zwischen zwei menschlichen Wesen zu erhellen, wenn eines davon aus dem westlichen Kulturkreis stammt und eines aus dem islamischen.

Ob das Buch diesen Abstand jedoch verringert oder nicht vielmehr vergrößert, ist fraglich. Sicher wird zum Beispiel Verständnis für Kaukab geschaffen, deren Verhaftung in islamischen Traditionen dazu führt, dass sie die Sympathie ihrer Kinder fast vollständig verliert, aber man kann sich beim Lesen des Eindrucks nicht erwehren, dass es allen Beteiligten, zumindest den Frauen, weitaus besser ergehen würde, wenn es ihnen gelänge, von ihrer Religion und ihren Zwängen vollständig befreit zu werden.

Nadeem Aslam: Maps for Lost Lovers | Englisch
Faber & Faber, Neuauflage Taschenbuch 2005 | 384 Seiten | Jetzt bestellen