Michael Chabon: Manhood for Amateurs»Was macht den Mann zum Mann?« Das ist eine Frage, die sich nicht nur Deutschrocker stellen, sondern Millionen frustrierter Frauen. Bestsellerautor Michael Chabon kann zwar keine Antworten anbieten, doch er erzählt so freimütig aus dem eigenen Erfahrungsschatz, dass der geneigte Rezensent an vielen Stellen nur zustimmend mit dem Kopf nicken konnte.

Nehmen wir nur die berühmte Männerhandtasche. Jeder Mann weiß: Echte Kerle tragen keine Taschen, sondern stopfen all ihre Habseligkeiten in ihre Jacke. Das meinte auch Chabon. Bis er eines Tages die Windeln seiner Kinder unterbringen musste. Lebenskrisen und Wendepunkte wie diese erleben alle Erwachsenen irgendwann. Soll man am Weltbild seiner Jugend festhalten, oder sich weiterentwickeln?

Überhaupt ist das Leben als erwachsener Mann kein Zuckerschlecken, vor allem wenn man selbst insgeheim ein wenig Kind geblieben ist und nun den eigenen Kindern Dinge verbieten muss, für die man eigentlich eine Menge Verständnis aufbringt. Wie zum Beispiel für den furzenden Helden »Captain Underpants«. Vater sein, heisst auch Heuchler sein.

Die Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit ist ebenfalls ein ergiebiges Thema. Besonders, wenn der lokale Radiosender plötzlich beschließt, dass die Musik des Jahrzehnts, in dem man aufgewachsen ist, in Zukunft unter der Rubrik »Oldie« versendet wird.

Schade eigentlich, dass es die Essaybände des Pulitzer-Preisträgers nur im englischen Original gibt. »Zu amerikanisch«, meinten wohl die deutschen Verlage. Dabei werden gerade mit diesem Buch im lockeren Plauderton essentielle Themen angesprochen, die uns alle irgendwann beschäftigt haben – oder irgendwann beschäftigen werden. Banales ebenso wie Tiefsinniges. So ist das Leben nun mal.

Mit 45 schaut Chabon mit viel Witz und einer gehörigen Portion Ironie zurück auf sein Leben als Sohn und Vater und muss dabei feststellen, dass seine eigene Kindheit wesentlich spannender verlief, als die seiner Sprösslinge. Dass wir unsere Kinder endlos betüddeln und vor den Gefahren dieser Welt abschirmen, wie keine Generation vor uns. Indem wir dies tun, berauben wir sie auch der Freiheit, die Welt auf eigene Faust zu entdecken, was jede Kindheit erst zu einem großen Abenteuer macht.

Wehmütig blickt er auf alte Fernsehserien zurück, die gemessen an heutigen Standards zwar billig gemacht waren, aber gerade durch ihre Unvollkommenheit kindliche Zuschauer zum Träumen einluden, während unser CGI-generiertes Entertainment nichts mehr der Fantasie überlässt.

Comics, Lego, erster Sex mit Mamas Freundin, depressive Ehefrauen und Dr. Who. All dies sind Dinge, die Chabons Leben prägten. Dinge auch, die ihn heute nachdenklich machen, was die eigene Rolle als Mann und Vater betrifft. Ob der Autor tatsächlich ein Mann ist, oder nur ein großer Junge, weiß man selbst dann nicht ganz genau, wenn man das Buch längst zugeschlagen hat.

Was also ist ein Mann? Schauspieler, die ihren Frauen und Kindern Selbstsicherheit vorspielen, während sie sich vor Angst und Unsicherheit fast in die Hose machen, lautet Chabons augenzwinkerndes Resümee. Männer wie wir, die betont lässig ein Gewürzregal anbringen – immer in der bangen Erwartung, dass es im nächsten Moment von der Wand fällt.

Michael Chabon: Manhood for Amateurs | Englisch
Harper Perennial (2010) | 336 Seiten | Jetzt bestellen