Marlen Haushofer: Die Wand»Manchmal verwirren sich meine Gedanken, und es ist, als fange der Wald an, in mir Wurzeln zu schlagen und mit meinem Hirn seine alten, ewigen Gedanken zu denken.«

Marlen Haushofers »Die Wand« hat durch die aktuelle Verfilmung wieder eine breite Öffentlichkeit gefunden. Kein Wunder, denn wer dieses Buch gelesen hat, kommt nicht mehr davon los. Ein traurig-schaurig-schönes Buch, mit vielen Weisheiten und Grausamkeiten. Trotz der Traurigkeit, die empathische Menschen zweifelsfrei bei der Lektüre überkommt, macht das Buch, macht der Inhalt süchtig – süchtig nach einem Leben mit Sinn.

Die Geschichte ist schnell erzählt und die Story unglaublich. Zu dritt in einer Jagdhütte im Wald machen sich Hugo und Luise auf ins Dorf, die namenlose Protagonistin bleibt zurück. Am nächsten Morgen, immer noch allein, will sie sich auf die Suche nach ihren Begleitern machen – und stößt dabei auf eine unsichtbare Wand, hinter der kein Leben mehr existiert. Kein Insekt, keine Menschen, kein Lebewesen ist mehr zu sehen, alle sind zu Stein erstarrt.

Damit beginnt die Geschichte. Sie erzählt von der Schwierigkeit, sowohl körperlich als auch vor allem mental mit dieser Situation umzugehen, sie erzählt von Verdrängung und vom Überlebenstrieb – ganz allein im Wald. Doch so allein ist die Protagonistin gar nicht: Im Laufe des Buches versammelt sie mehrere Tiere um sich, die sich – wie alle Lebewesen – im Kreislauf von Leben und Tod bewegen. So wird sie immer wieder konfrontiert mit Lebendigem und Erstarrtem. Und die Tiere geben ihr eine Aufgabe, der zu widmen das wohl Überlebenswichtigste für sie ist.

Vor allem der Hund präsentiert sich dem Leser als Überlebenshilfe für die Alleingelassene – bei der Jagd und insbesondere auch als ihr Gefährte, der ihrem Leben einen Sinn gibt, der sie versteht. Während der Lektüre spricht sie oft an, dass dem Hund etwas zustoßen wird – die Situation hinterlässt beim Leser letztendlich einen großen Schock.

Das Buch, so unglaublich die Geschichte ist, hat mich und vermutlich auch etliche andere Leser nicht mehr losgelassen. Es behandelt so viele Themen, über die sich Menschen Gedanken machen, und relativiert sie gleichzeitig wieder. So bleibt schließlich nur eine Frage übrig: Wie hätte ich mich verhalten?

Hoffentlich muss ich das niemals herausfinden.

Marlen Haushofer: Die Wand | Deutsch
List 2004 | 285 Seiten | Jetzt bestellen