Larry McMurtry: Lonesome DoveI think we spent our best years fighting on the wrong side.

Larry McMurtrys Roman »Lonesome Dove« ist die Perfektion des sogenannten Trail-Drive-Westerns. Das bedeutet, die Handlung, zumindest die äußere, besteht darin, dass eine Herde Kühe von A nach B gebracht wird – in diesem Fall von Texas nach Montana.

Der historische Grund dafür, dass Millionen von Kühen gegen Ende des 19. Jahrhunderts quer über den amerikanischen Kontinent getrieben wurden, war ganz einfach, die Menschen überall mit Fleisch zu versorgen. Den meisten Western dient dieses Treiben einer Kuhherde dabei natürlich lediglich als Aufhänger oder Grundlage für andere, aufregendere Geschichten. In »Lonesome Dove« lässt McMurtry jedoch keinen Zweifel daran, dass die Wanderung mit der Kuhherde nur Selbstzweck oder Mittel zum Zweck ist: Seine Charaktere veranlassen sie allein aus dem Grund, weil sie etwas zu tun brauchen, etwas, das ihnen ein Ziel und eine Richtung vorgibt.

Augustus McCrae, Ex-Texas-Ranger, erkennt von Anfang an, dass sein Partner, Woodrow Call, die Kühe nur nach Montana bringen will, weil er eine neue Herausforderung sucht, die seinem Leben einen Sinn gibt, und nicht, weil in Montana viel Gras wächst. Er und Call fühlen sich beide arbeitslos, seit die größten Kriege mit den Indianern vorbei sind, doch im Gegensatz zu Augustus ist Call nicht in der Lage, sein Leben einfach nur zu genießen – er braucht Arbeit und eine Aufgabe. Und er hinterfragt die Notwendigkeit oder Legitimation seiner selbstgesuchten Arbeiten nie.

Ganz anders Augustus, der sogar seine Arbeit bei den Texas Rangern – das Zurückdrängen der Indianer – als eine Art Beschäftigungstherapie sieht und versucht, Call zu erklären, dass es kontraproduktiv von ihnen war, bei der Besiedelung des Westens zu helfen, weil sie dem Westen dadurch genau das nahmen, was ihn attraktiv machte: Ein Leben in ständiger Herausforderung.

Trotzdem schließt sich Augustus dem Zug der Kuhherde an, genauso wie zahlreiche andere Charaktere – zum Teil von Call angeheuerte Cowboys, zum Teil Figuren, die sich aus ganz eigenen Gründen an der Reise beteiligen und die jeweils ihre ganz eigene Geschichte in den Roman einbringen und dafür sorgen, dass der Roman trotz eines Umfangs von knapp 1.000 Seiten nie langweilig wird. Kurz gesagt ist »Lonesome Dove« eine gelungene Mischung aus einem selbstkritischen und einem nostalgischen Western, in dem sich Heldentum und Menschlichkeit, Verklärung und Realismus exakt die Waage halten.

Larry McMurtry: Lonesome Dove | Englisch
Pocket Books 1988 | 960 Seiten | Nur noch antiquarisch oder als eBook erhältlich