John Fowles: The Magus»The Magus« (1966) beschreibt die Geschichte des Ich-Erzählers Nicholas Urfe, eines mit seinem Londonder Mittelklassehintergrund unzufriedenen jungen Mannes, der, um diesem Milieu zu entgehen, eine Stelle als Englischlehrer auf einer kleinen, fast verlassenen Insel in Griechenland annimmt.

Dort – es müssten die fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts sein – macht er die Bekanntschaft eines merkwürdigen, älteren und sehr reichen Mannes, unter dessen Lenkung Nicholas bestimmte Erfahrungen und Erlebnisse hat – und hier fangen die Probleme für den Buchbeschreiber an, denn für die Lektüre von »The Magus« ist es unerlässlich, dass der Leser auf den jeweiligen Verständnishorizont von Nicholas beschränkt bleibt.

Denn Nicholas ist sich sehr bald im Unklaren darüber, was er von dem alten Mann und den Ereignissen um ihn herum halten soll. Er weiß nicht, was sie zu bedeuten haben, ob die beteiligten Personen tatsächlich das sind, was sie zu sein vorgeben, was um ihn herum wirklich ist und was nicht, und vor allem wem er noch trauen kann. Öfters ist der nahe dran, auszusteigen, weil ihm die Situation über den Kopf zu wachsen droht, doch er schafft es nicht, weil er den »Kick«, den ihm die Erlebnisse verschaffen, nicht missen will.

Nicholas verliebt sich in eine der Frauen, die er bei dem alten Mann kennenlernt, und Komplikationen ergeben sich hauptsächlich, weil er gegen den Willen des Mannes nicht mehr von ihr lassen will, obwohl er eine nur halb-beendete Beziehung aus London mit sich schleppt.

»The Magus« ist zu empfehlen für Leser, die Gefallen an Geschichten mit geheimnisvoll-unheimlichen Vorgängen haben, über die sie wie Nicholas lange Zeit im Dunkeln bleiben, wobei sowohl ihm als auch dem Leser immer wieder der Boden unter den Füßen entzogen wird, sobald man glaubt, eine sichere Erkenntnis errungen zu haben. Der Leser muss also bereit sein, sich auf Nicholas‘ langwierigen Lernprozess einzulassen, und darf auch das für Fowles‘ Romane typische offene Ende nicht scheuen. Wer eindeutige Antworten sucht, ist an der falschen Adresse, wie Fowles selbst im Vorwort zu der 1977 erschienenen, überarbeiteten Ausgabe schreibt:

If The Magus has any ‚real significance‘, it is no more than the Rorschach test in psychology. Its meaning is whatever reaction it provokes in the reader, and so far as I’m concerned there is no given ‚right‘ reaction.

Reagieren kann der Leser beispielsweise auf die ethische Frage der menschlichen Entscheidungs- und Handlungsfreiheit, auf das Dauerthema des nicht-existierenden Gottes und wie die Menschen mit der dadurch vergrößerten Freiheit und Zufälligkeit ihres Lebens umgehen, oder auch auf das Problem der Wechselwirkungen zwischen Einbildungskraft und Wirklichkeit, sowie auf die Erziehung Nicholas‘ zu mehr Verantwortung in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Ohne Frage erzeugt »The Magus« jedenfalls wegen der Uneindeutigkeit des Geschehens Gesprächsbedarf und bietet reichlich Diskussionsstoff, weshalb es besonders bei diesem Buch erfreulich ist, wenn man einen oder mehrere andere Leser zur Hand hat, mit denen man sich darüber austauschen kann.

John Fowles: The Magus | Englisch
Random House 1985 | 672 Seiten | Jetzt bestellen