Gregory Smith: Aus der SpurAber wenigstens hatte er nun ein Ventil für diesen Hass.

Shamus Ryan arbeitet als Autoverkäufer für ein Honda-Autohaus in einer Kleinstadt in Delaware, USA. Was er hasst, sind Leute, die den ganzen Tag Autos ausprobieren, nur um sie dann billiger bei der Konkurrenz zu kaufen, und ihm so seine Zeit stehlen und seine Verkaufsbilanz vermasseln. Solche Kunden versetzen ihn zurück in seine Kindheit, in der seine Großmutter ihn immer mit sadistischen Methoden dafür bestrafte, wenn er sich von anderen Kindern hänseln oder verprügeln ließ. Das Ventil, das Shamus Ryan findet, besteht darin, seine abtrünnigen Kunden auf ebenso sadistische und grausame Art umzubringen. Natürlich steht die Polizei ob dieser scheinbar unzusammenhängenden Mordserie lange Zeit vor einem Rätsel.

Keine Sorge – damit habe ich nicht die Pointe des Krimis vorweggenommen. So viel verrät einem nicht nur schon der Klappentext; es ist auch spätestens nach den ersten paar Kapiteln sonnenklar. Der Autor von »Aus der Spur«, Gregory Smith, erzählt abwechselnd aus der Perspektive des Mörders und der des ermittelnden Polizisten, Paul Chang. Der Leser ist dabei, wenn Ryan die Morde begeht, und auch, wenn Chang die Leichen findet, wodurch sein Wissensstand immer größer ist als der der Figuren.

Die Hauptspannung bzw. der Hauptlesegenuss besteht also darin, Chang zuzusehen, wie er den Mörder jagt – zumal Ryans Psyche als Serienmörder eher unspektakulär ist. Er ist weder überzogen genug dargestellt, um lustig zu wirken, noch realistisch genug, um einen wirklich zu ängstigen, noch überzeugend gequält genug, um Anteilnahme zu verdienen.

Interessanter sind da schon Chang und sein neurotischer Partner, Nelson. Beide waren sie Polizisten in New York, bevor sie nach Delaware versetzt wurden, weil sie in einem Mordfall ziemlich versagt hatten und darüber hinaus auch noch mit unakzeptablen Methoden vorgegangen waren. Beide haben entsprechende psychische Schäden davon getragen: Nelsen ist offiziell als verrückt erklärt und wird in Delaware zur Computerwartung abgestellt. Chang trägt zusätzlichen Ballast von seiner eigenen Kindheit und Jugend mit sich herum (mafiöse Bandenkriege in Chinatown) und hat sich nicht immer unter Kontrolle: Seine Ehe mit einer Amerikanerin scheitert daran, dass er seine Frau beinahe erwürgt, als er aus einem Alptraum aufwacht.

Als wären das nicht genug Probleme, hat Chang natürlich auch noch an der rassistischen Diskriminierung zu knabbern, die ihm in seiner Arbeit fast täglich begegnet. Noch dazu bringt er sich und Nelson in Schwierigkeiten, weil er ihn gegen den ausdrücklichen Befehl seines Vorgesetzten Byrd an den Ermittlungen teilhaben lässt. Beinahe nebenbei enthüllt Smith so einige interessante Aspekte darüber, wie politische Machtspielchen (Byrd will als Gouverneur gewählt werden) der Aufklärung eines Mordfalls in die Quere kommen können.

Gregory Smith: Aus der Spur | Deutsch von Katharina Maier
Heyne 2011 | 384 Seiten | Jetzt bestellen