Gordon Dahlquist: Die Glasbücher der Traumfresser»Was für ein Mumpitz! Erst behaupten Sie, ich sei eine Mörderin, eine Agentin, die sich gegen Sie verschworen hat, und jetzt bin ich bloß ein verirrtes Mädchen mit Liebeskummer? Was von beidem wollen Sie denn nun glauben? Sagen Sie es mir, damit ich Sie umso zielsicherer verspotten kann!«

Im viktorianischen England verfolgt die vermögende Miss Temple ihren ehemaligen Verlobten, der kurz zuvor ihre Verbindung gelöst hatte. Sie reist ihm im Zug hinterher und folgt ihm in ein geheimnisvolles Haus, in dem gerade ein Maskenball stattfindet. Dort halten sich auch die beiden anderen Helden dieses Abenteuers auf: Ein mysteriöser Killer namens Chang, den man wegen seines roten Mantels auch den Kardinal nennt, und Dr. Svenson, den Leibarzt eines deutschen Adeligen.

Sie kommen auf die Spur einer großangelegten Verschwörung um eine verhängnisvolle Erfindung. Alles dreht sich um geheimnisvolle Gläser, die Erinnerungen samt den verbundenen Empfindungen speichern können. Zurück bleiben die willenlosen, leicht manipulierbaren Hüllen der Betroffenen. Jeder, der die Gläser ansieht, erlebt das Gespeicherte nach. Die gesamten Erinnerungen eines Menschen werden zu Glasbüchern zusammengefasst.

Er stand im Dämmerlicht, füllte mit seiner mächtigen Gestalt den ganzen Türrahmen aus, wirkte irgendwie sogar noch größer durch die dicke Lederschürze über seinem weißen Hemd, die riesigen ledernen Stulpenhandschuhe, die ihm bis zu den Ellenbogen reichten, und den Furcht einflößenden Messinghelm, den er sich unter einen Arm geklemmt hatte und der in Lederriemen gefasst und mit großen Glaslinsen versehen war, wie Insektenaugen, sowie seltsamen Metallkästen, die über Mund und Ohren angeschweißt waren. Sie wich vor ihm zurück ins Zimmer.

»Ich komme persönlich, um Sie abzuholen«, sagte er. »Es ist wirklich Zeit für Ihre Erlösung.«

In Form und Inhalt lehnt sich der Roman an viktorianische Groschenromane an. Die deutsche Erstausgabe war besonders liebevoll gestaltet und bestand aus einem Schuber, mit zehn einzelnen Bänden. Die Geschichte klingt nach einem abenteuerlichen Steampunk-Garn mit vielversprechenden Zutaten: Schwarze Messen, verrückte Wissenschaftler, teuflische Experimente, ein entführter Prinz, abtrünnige Militärs, geheimnisvolle Experimente, Schießereien, Luftschiffe, wilde Säbelduelle, Verfolgungsjagden per Droschke, Attentate und sexuelle Ausschweifungen.

Und trotzdem wird es auf Dauer langweilig. Immer wieder dringen die Helden in Gebäude ein und müssen daraus entkommen. Dies ist wohl dem Seriencharakter geschuldet, nachdem sich die Handlung von Folge zu Folge entwickelt. Das Buch hätte einige Straffungen vertragen. Da jeder Band mit einer Verfolgungsjagd, Flucht oder sonstigen Actionszene endet, ermüdet das Konzept recht bald. Im Mittelteil beginnt sich die Handlung im Kreis zu drehen. Einige Episoden hätten ruhigen Gewissens gestrichen werden können.

Wenn am Ende die Intrigen und Verschwörungen entwirrt und alle Zusammenhänge aufgedeckt werden, dann interessiert es leider nicht mehr. Zu langatmig und ermüdend das Hin und Her, zu unübersichtlich das Personal. Ärgerlich ist auch, dass die Idee der Glasbücher nicht ausgeschöpft wird, sondern nur ständig als Aufhänger für weitere Actionszenen herhalten muss. Hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen.

Inzwischen ist mit »Das Dunkelbuch« eine Fortsetzung erschienen, die direkt an die Handlung der »Glasbücher« anknüpft.

Gordon Dahlquist: Die Glasbücher der Traumfresser | Deutsch von Bernhard Kempen
Blanvalet 2009 | 928 Seiten | Jetzt bestellen