Frank Goosen: Sommerfest»Woanders weiß er selber, wer er ist, hier wissen es die anderen. Das ist Heimat.«

Eine simple, aber unerschütterliche Weisheit und beileibe nicht die einzige in diesem Werk. »Sommerfest« handelt von dem erfolglosen Schauspieler Stefan, der für ein Wochenende aus München nach Bochum anreist, um sein Elternhaus zu verkaufen, das vom jüngst verstorbenen Onkel Herman gehütet wurde.

»Ja, leck mich am Arsch«, ruft der Mann aus, als er Stefan sieht, »der verlorene Sohn ist wieder da! (…) Wurde auch Zeit, dass du hier aufschlägst! Hab mich schon gewundert, dass du nicht bei der Beerdigung vom Herman warst.«

»Ging nicht.«

»War auch gesünder. Ich hatte am nächsten Tag Kopp wie’n Rathaus. Ich weiß auch nicht, aber auf Beerdigungen wird immer gesoffen wie Sau.«

»Vielleicht weil es für lau ist?«

Toto guckt, als wäre das ein sehr interessanter Gedanke.

»Ist ja auch egal«, sagt er dann. »Hauptsache besoffen! Wie lange warst du jetzt weg?«

»Zehn Jahre, ungefähr.«

»Guck mal, Omma, der Stefan!«

Beruflich wie privat läuft es für Stefan in München nicht gerade rosig, trotzdem hat er mit seiner Heimat abgeschlossen. So glaubt er zumindest. Er versucht, den Kontakt mit den Freunden und Bekannten von damals zu vermeiden, vor allem aber die Begegnung mit seiner Sandkastenliebe Charlie. Doch nach wenigen Minuten vor Ort wird er bereits für einen Möbeltransport eingespannt und schnell häufen sich die Verpflichtungen fürs Wochenende. Der unaufschiebbare Besuch bei Oma Luise, die ständigen Konfrontationen mit dem Kleinkriminellen Diggo, das Sommerfest des Fußballclubs, die Sperrung der A 40 für ein Kulturfestival und das unvermeidliche Wiedersehen mit seiner Charlie.

Urige Typen und platte Sprüche. Erstmal ein Bier und dann ab zum Fußball, dazwischen ein bisschen Beziehungsknartsch und sentimentale Erinnerungen an bessere Zeiten. Wer seine Heimat verlassen hat, wird hier das altbekannte Gefühlsdilemma durchleben: Auf der einen Seite den plötzlichen Anflug von Heimweh, auf der anderen Seite die Erinnerung an die Gründe, weshalb man unbedingt weg wollte. Das Buch platzt vor Lokalkolorit aus dem Ruhrpott, aber die Geschichte könnte auch an jedem anderen Ort spielen. Bochum ist überall.

»Sommerfest« ist, wie alles von Frank Goosen, sehr zu empfehlen. Ich kenne inzwischen sein Gesamtwerk und doch habe ich noch keine einzige Zeile von ihm gelesen. Schon seit den legendären »Tresenlesen«-Zeiten war ich vernarrt in diese Stimme und deshalb ziehe ich stets das Hörbuch vor.

Frank Goosen: Sommerfest | Hörbuch | Gelesen von Frank Goosen
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