Elke Heidenreich, Michael Sowa: ErikaEs ist nur ein kleines Büchlein von vierundsechzig Seiten mit wieder mal herrlich passenden Illustrationen von Michael Sowa. So ein kleiner Leckerbissen, gerade richtig zum Verschenken in der Weihnachtszeit, an Wunderblumen und für ewige Kindsköpfe. Zuviel möchte man gar nicht darüber erzählen, die kurze, witzige Geschichte verlöre dann wohl ihren Reiz.

Betty ist eine alleinstehende, geschiedene Frau, die das ganze Jahr über nichts weiter kennt als ihre Arbeit – kein Urlaub, kein Treffen mit Freunden, eine hastige Mahlzeit im Vorbeigehen. Das Leben rauscht spurlos an ihr vorbei. Sie fühlt sich irgendwie leer und ausgebrannt, weil da nichts mehr zu kommen scheint, und die Erkenntnis, dass sie diese Weihnachten erneut allein verbringen wird, macht sie nachdenklich.

Dann aber erhält Betty einen Anruf von ihrem Ex-Lebensgefährten Franz, mit dem sie vor Jahren liiert war. Nach der friedlichen Trennung hatten beide geheiratet, sich bald aber wieder vom jeweiligen Partner scheiden lassen. Nun lebt Franz ebenfalls allein in Lugano. Hin und wieder schreiben Betty und er sich alberne Karten oder telefonieren. »Warum kommst du nicht über Weihnachten zu mir nach Lugano?«, fragt Franz. Und Betty denkt: »Warum eigentlich nicht?«. Sie freut sich über das Angebot.

Also packt sie ihre Sachen. Ohne ein Mitbringsel mag sie allerdings nicht fahren. Daher geht sie ins KaDeWe, um aus hunderten Sorten von Senf einen scharfen elsässischen auszuwählen, denn diesen mag der Franz. Doch Betty kommt nicht weit. In der Spielwarenabteilung entdeckt sie ein rosa Plüschschwein, fast lebensgroß. Es schaut derart liebenswert und friedlich mit seinen verschmitzten himmelblauen Schweinsäuglein, dass sie es kaufen muss, obwohl es sündhaft teuer ist. Da sie das Schwein mit den vier dicken, rosigen Plüschbeinchen an eine bestimmte Person erinnert, nennt sie es Erika.

Mit Erika erregt Betty fortan die Aufmerksamkeit aller Menschen, die ihr begegnen. Trübe, gehetzte Mienen erhellen sich mit einem Lächeln, Kinder jauchzen fröhlich auf, der Taxifahrer grantelt zwar: »Für wattie Leute allet jeld ausjehm«, doch bereitet die Fahrt mit dem dicken Schwein auf dem Beifahrersitz auch ihm große Freude, weil die Passanten ihm plötzlich freundlich zuwinken. Und dann geschieht etwas völlig Unerwartetes, was genau, soll hier aber nicht verraten werden.

Ich war so angetan von der Geschichte, dass ich mich selbst auf die Suche nach einer »Erika« begab. So ein Schwein musste ich unbedingt haben. Ich bekam auch eins. Es handelt sich dabei zwar um ein viel kleineres Exemplar als das im Buch beschriebene, Besucher, denen ich das Schwein zeige, sind jedoch nicht weniger amüsiert.

Elke Heidenreich, Michael Sowa: Erika oder der verborgene Sinn des Lebens | Deutsch
rororo 2004 (15. Auflage) | 64 Seiten | Jetzt bestellen