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»Ich denke, es geht hier um die Zukunft und nicht um die Vergangenheit«, erschien als zynischer Kommentar auf der Twitterwall.

Gemeint war die Veranstaltung »LiteraturFutur – Neue Formen der Literaturvermittlung«, die am 24./25. Mai 2013 in Hildesheim stattfand, auf dem Gelände der Marienburger Domäme, eine mittelalterliche Burganlage mit modernen Räumlichkeiten der Universität Hildesheim. Initiiert, konzipiert und organisiert wurde die Veranstaltung von 30 Studierenden der Uni Hildesheim. Ihr Anliegen: die Zukunft der Literatur und eben die Suche nach neuen Formen der Literaturvermittlung unter digitalen Bedingungen.

Schon die Beschreibung macht deutlich: Es ging hier tatsächlich nicht um die Vergangenheit. Aber ging es um die Zukunft? Oder doch eher um die Gegenwart, um den Status Quo, um lediglich eine Bestandsaufnahme von Expertenmeinungen zur aktuellen Lage, wie es bei Diskussionen und Vorträgen über die Zukunft nicht selten der Fall ist?

»Die Zukunft ist nichts Neues« wurde am Hauptveranstaltungstag als erstes Zitat auf die Leinwand gekritzelt. Scheinbar wollten die Gastgeber sich damit vor zu hohen Erwartungen schützen. Irgendwie clever. Denn oftmals scheitern Events dieser Art ja genau daran: an den falschen Erwartungen ihrer Besucher.

Zukunftsweisend war die »LiteraturFutur« sicher nicht (wohl auch kaum der Anspruch der Organisatoren), doch – wenn man es wollte – informativ und inspirierend. Der Beginn, eine Soundlecture von Johannes Ismaeil-Wendt, Professor für Systematische Musikwissenschaft und Musiksoziologie, war für das nach und nach eintrudelnde Publikum (Studenten halt) vielleicht noch etwas gewöhnungsbedürftig, und das Thema der ersten Diskussionsrunde vielleicht noch etwas unkonkret formuliert: »Ist der Literaturbetrieb imstande, sich selbst neu zu erfinden?«

Zwei Dinge sind mir hieraus in Erinnerung geblieben. Zum einen der Hinweis von Hauke Hückstädt, Leiter des Literaturhauses in Frankfurt/M., dass Deutschland, Österreich und die Schweiz zusammen Weltmarktführer für Lesungen sind sowie sein Plädoyer für eine Professionalisierung von Autorenlesungen, die dieser Marktführerschaft bitte schön entsprechen sollten. Zum anderen die Anmerkung der Journalistin Kathrin Passig, dass Superlativen wie »die besten Bücher des Jahres« unangebracht und irreführend seien, weil es eine Übereinstimmung darüber nicht geben kann, im Netz schon mal gar nicht.

Konkreter und spannender gestaltete sich der Programmpunkt »Von der Druckerpresse bis E-Book – Der Verlag der Gegenwart und seine Zukunft«, der mit einer temporeichen und reichlich bebilderten Präsentation von KOOKbooks-Verlegerin Daniela Seel begann (siehe Foto).

Ihr folgte, als mutmaßlicher Höhepunkt des Tages, Jo Lendle (der »Posterboy der deutschen Verlagslandschaft«), der im kommenden Jahr die Geschäftsführung des Hanser Verlages (der »FC Bayern unter den Literaturverlagen«) übernehmen wird. Seinen Vortrag kann man auf den Seiten von literaturcafe.de nachlesen. Plakativ wurde hier der folgende Satz als Titel herausgerissen: »Verlage sind nicht mehr nötig«. Entsprechend groß war hinterher die Aufregung in den Sozialen Medien.

Anhänger des Self-Publishing sollten sich allerdings nicht zu früh freuen. Lendle machte in seinem Vortrag mit einer Aufzählung der zehn Hauptaufgaben von Verlagen nämlich indirekt deutlich, dass diese in Zukunft sehr wohl gebraucht werden, wenn vielleicht auch nur noch als »Edel-Dienstleister«.

»Internetdenker« Sascha Lobo informierte danach über seine im Aufbau befindliche Autoren- und Verlagsplattform sobooks.de, die durch eine (neue?) intensivere Form des Social Reading u.a. neue Vertriebswege öffnen soll. Ein Beitrag, den man auch im nächsten Programmpunkt hätte vorstellen können, als Literaturjournalist Stefan Mesch, Karla Paul von lovelybooks.de und Alexander Vieß vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels über Buchcommunitys, Literaturblogs und das Phänomen Social Reading sprachen.

Zum Abschluss des Tages fanden drei Dialoge statt, in denen es unter anderem darum ging, inwieweit Kirchen sich für Lesungen eignen. Lust und Luft zu konzentrierten Gesprächen waren aber sowohl den Diskussionsteilnehmern als auch dem Publikum zu diesem Zeitpunkt entwichen. Als Entschädigung gab es unterhaltsame Einspielfilme – und lustige Tweets auf der Twitterwall.

Im nächsten Jahr, so wurde es angekündigt, soll die LiteraturFutur fortgesetzt werden. Es wäre wünschenswert, zumal mit einer so feinen Teilnehmerliste wie in diesem Jahr. Nach der durchaus gelungenen Auftaktveranstaltung wird man dann ganz sicher mit einigen Erwartungen zur Marienburger Domäne reisen. Hoffentlich sind es nicht die falschen.