Ben Urwand: Der Pakt - Hollywoods Geschäfte mit HitlerBücher über die Geschäfte Hollywoods mit dem Dritten Reich gibt es einige. Zum Beispiel Michael E. Birdwells »Das andere Hollywood der dreißiger Jahre« (2000, Europa Verlag), das von den Anstrengungen der Warner Bros. erzählt, die anderen Filmstudios zu einer Stellungnahme gegen die Nazis zu bewegen. Erst vor einigen Jahren erschien mit »Five Came Back: A Story of Hollywood and the Second World War« (2014, Penguin Press) eine weitere Publikation, die Hollywoods Umgang mit Hitler behandelte. Eigentlich war das Thema damit erschöpft, dachte man. Als Ben Urwands Buch erschien, sorgte es dennoch für einigen Wirbel.

In den dreißiger Jahren steckten Amerikas Filmgewaltige in einer moralischen Zwickmühle: Da das Auslandsgeschäft einen nicht unerheblichen Anteil an ihren Gewinnen hatte, war man sehr bemüht, sich mit dem Nazi-Regime zu arrangieren. Zunächst war dies kein Problem, denn die Nazis wollten auf die beim deutschen Publikum äußerst beliebten amerikanischen Produktionen nicht verzichten. Doch schon bald war dies nicht genug. Hitler hatte früh begriffen, wie groß die Macht der bewegten Bilder ist, darum galt es um jeden Preis zu verhindern, dass die Traumfabrik ein unvorteilhaftes Bild der Deutschen verbreitet.

Mit der Drohung, jede amerikanische Filmgesellschaft, die einen deutschlandkritischen Film produziert, des Landes zu verweisen, hatte man ein Druckmittel in der Hand, mit dem man Einfluss nehmen konnte. Hitlers Mann fürs Grobe in Hollywood war Konsul Georg Gyssling, ein glühender Nazi, der sofort einschritt, wenn ein Drehbuch im Umlauf war, das nur den Hauch einer Kritik an den Deutschen enthielt. Einige Filme kamen so erst gar nicht zustande, während andere – wie zum Beispiel die Fortsetzungen des Antikriegs-Klassikers »Im Westen nichts Neues« – bis zur Unkenntlichkeit umgeschrieben wurden. Gyssling schreckte nicht mal davor zurück, Drohbriefe an amerikanische Schauspieler zu schicken, um sein Ziel zu erreichen, enthüllt Urwand.

Die Angst, den deutschen Markt zu verlieren, war so groß, dass jüdische Charaktere aus dem amerikanischen Film völlig verschwanden. Selbst nach der Reichskristallnacht war man in Hollywood gewillt, den nationalsozialistischen Terror zu ignorieren, was aus heutiger Sicht kaum fassbar ist. Vor allem da die meisten Studiobosse selbst jüdischen Ursprungs waren und über die Zustände in Deutschland Bescheid wussten. Nicht wenige hatten Verwandte in Europa, denen sie die Flucht ermöglichten.

Sogar als die Anzahl der Filme, die von den Nazis akzeptiert wurden, geringer wurde und damit auch die Einkünfte schwanden, hielt man an einer Strategie des vorauseilenden Gehorsams fest. Schlimmer noch: Da die Profite der amerikanischen Studios nicht außer Landes gebracht werden durften, wanderten einige der Devisen in die deutsche Rüstungsindustrie.

Ben Urwand wirft mit seinem Buch viele unbequeme Fragen auf. So behauptet er, dass der lange Arm Hitlers bis in den Vorführraum von Louis B. Mayer reichte. Der mächtigste Mann Hollywoods ließ sich in seinem eigenen Privatkino von Konsul Gyssling diktieren, welche Kürzungen an seinen Filmen vorgenommen werden sollten, schreibt Urwand. Die Großnichte des längst verstorbenen Filmmoguls weist dererlei Vorwürfe jedoch energisch zurück.

Urwand hat bei seinem Buch vor allem mit Archivmaterial aus Deutschland gearbeitet, da die Aufzeichnungen der US-Studios aus jener Zeit nur lückenhaft vorhanden sind. Der Umstand, dass ein Autor nationalsozialistische Akten benutzt, um jüdische Studiobosse zu diskreditieren, ist für viele amerikanische Filmhistoriker untragbar. Nicht wenige sehen in dem Harvard-Absolventen, dessen eigene Großeltern nur knapp dem Holocaust entkamen, einen Nestbeschmutzer oder noch schlimmer: einen sensationslüsternen Opportunisten.

Auch wenn das Buch, wie der Untertitel behauptet, von Hitlers Geschäften mit Hollywood handelt, verfolgt Urwand im Grunde eine ganz andere Thematik: Nicht nur die Studiobosse, sondern auch Präsident Roosevelt sowie die gesamte amerikanische Öffentlichkeit verschlossen die Augen, während in Europa ein ganzes Volk dahingemetzelt wurde. In der »New York Times« vom 25. November 1942 war den Redakteuren die Massenvernichtung von zwei Millionen Juden lediglich eine kleine Meldung auf Seite 10 wert.

Der Wunsch sich anzupassen, nicht aufzufallen, wurde den Juden letztendlich zum Verhängnis, behauptet Urwand. Da es in Amerika damals keine aktive jüdische Gemeinschaft gab, kam es nie zu einen öffentlichen Aufschrei, der die Regierung unter Druck gesetzt hätte. Und da sich die Leiter der Filmstudio in erster Linie als Amerikaner sahen, nicht als Juden, konnte man auch keine Solidarität mit den Glaubensbrüdern in Europa erwarten, lautet Urwands These.

So ist es kein Wunder, dass Urwands Buch in Amerika höchst umstritten ist. Mehrere Filmhistoriker zweifelten nach Erscheinen die Glaubwürdigkeit seiner Quellen an, oder warfen dem Autor gar vor, antisemitische Klischees zu bedienen. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn der Verlag für die deutsche Ausgabe zumindest in einem Nachwort auf diese Kontroverse eingegangen wäre.

Trotz aller Einwände: Lesenswert ist »Der Pakt: Hollywoods Geschäfte mit Hitler« allemal. Schon auf dem ersten Blick strotzt dieses extrem gut recherchierte Buch vor Fußnoten. Urwand brauchte Jahre, um das Material zu sichten. Manchmal sind die Inhaltsbeschreibungen der aufgeführten Bücher und Filme etwas zu ausufernd geraten, doch das macht der Autor mit seiner immensen Detailverliebtheit wett. Allerdings ist es auch ein Buch, das dem Leser einiges abverlangt.

Während andere Publikationen zu diesem Thema meist mit einer positiven Note enden, hinterlässt Urwands Buch einen bitteren Nachgeschmack. Es lässt einen zweifeln an der menschlichen Natur, die Profitstreben über Humanismus stellt und Bequemlichkeit über gesellschaftliches Engagement.

Ben Urwand: Der Pakt – Hollywoods Geschäfte mit Hitler
Deutsch von Gisella M. Vorderobermeier
Theiss Verlag 2017 | 328 Seiten | Jetzt bestellen