Adam Hochschild: King Leopold's GhostThese were the years when, to the distress of many a young male European, Europe was at peace. For a young man looking for battle, especially battle against a poorly armed enemy, the Congo was the place to go. For a white man, the Congo was also a place to get rich and to wield power.

Im Mittelpunkt von Adam Hochschilds Buch »King Leopold’s Ghost« steht die Geschichte des Kongos als Kolonie Belgiens. Er erzählt, wie der belgische König Leopold aufwächst und wie er darunter leidet, dass sein Land eher klein und unbedeutend ist und dass Parlamente weltweit die Rechte der Könige immer stärker einschränken. Um dem Abhilfe zu schaffen, will Leopold unbedingt eine Kolonie, die groß und profitabel ist und in der er als absolutistischer Alleinherrscher agieren kann. Nachdem der berühmte Forscher Morton Stanley – seine eher unglückliche Kindheit kommt ebenfalls zur Sprache – den Kongo für Leopold erschlossen hat, tarnt der belgische König seine skrupellose Ausbeutung des Landes, die insgesamt rund zehn Millionen Kongolesen das Leben kostet, als philanthropisches Projekt und humanitäre Entwicklungshilfe.

Eine Weile gelingt es ihm, die anderen europäischen Großmächte zu täuschen. Bis Edmund Morel, ein Engländer und Reedereiangestellter, entdeckt, dass zwar aus dem Kongo haufenweise teures Elfenbein und Gummi per Schiff in Antwerpen ankommen, im Gegenzug aber immer nur Waffen und Militär dorthin geliefert werden. Morel forscht nach, kommt König Leopolds Ausbeutung des Kongos durch Sklaverei und Zwangsarbeit auf die Spur und macht die Zustände gegen beachtlichen Widerstand publik.

Morel schafft es, eine weltweite Protestbewegung – die erste ihrer Art – auf die Beine zu stellen, die dazu führt, dass Leopold die Regierungsgewalt im Kongo an Belgien abtreten muss – allerdings erst nach langem Ringen, kurz vor Leopolds Tod, nachdem der Kongo bereits total verwüstet und ausgezehrt ist. Morel wird eine Art Held, doch der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhindert zunächst, dass sich an der Situation für die Einwohner des Kongos etwas wesentlich verbessert.

»King Leopold’s Ghost« ist ein Buch, das tatsächlich die Welt verändert hat. Da Leopold noch zu Lebzeiten alles versucht hat, um die Wahrheit über seine Kolonie zu vertuschen, und belastendes Beweismaterial vernichtet hat, waren die dunklen Seiten der Geschichte des Kongos trotz der hohen Anzahl an Toten tatsächlich bis zur Veröffentlichung von Hochschilds Buch kaum einem breiteren Publikum bekannt. Und doch geht es in dem Buch nicht in erster Linie darum, Belgien anzuklagen oder seine Schuld offenzulegen. Vielmehr setzt Hochschild das Geschehen im Kongo von Anfang an in den Kontext nicht nur des gesamten europäischen Kolonialismus, sondern vergleicht es auch mit anderen Verbrechen an der Menschheit, darunter natürlich der Holocaust.

Er geht der Frage nach, welche Voraussetzungen grundsätzlich in einem System gegeben sein müssen, damit es zu so einem großangelegten Unrecht kommen kann. Er fragt, warum ausgerechnet der Kongo eine weltweite Protestbewegung ausgelöst hat, und nicht eine der anderen Kolonien, in denen es ähnlich zuging. Er geht auf die Geschichte des Kongos und Afrikas vor der Kolonialzeit ein und das Problem, dass Geschichte immer nur die Mächtigen schreiben und von den Opfern meist keine Zeugnisse aus erster Hand überliefert sind. Er beschreibt, wie es dazu kommen kann, dass ganze Länder die negativen Seiten ihrer Geschichte systematisch und aktiv vergessen. Er verfolgt die Geschichte Afrikas und des Kongos bis in die Gegenwart und erklärt, warum nicht nur der Kolonialismus schuld an der aktuellen Situation vor Ort ist.

Dabei ist Hochschilds Ton nie anklagend oder selbstgerecht, sondern sehr sachlich und dadurch umso schockierender. In einem zusätzlichen Nachwort von 2005 – ursprünglich erschienen ist das Buch bereits 1999 – erzählt der Autor von den Reaktionen, die sein Werk über die Geschichte des Kongos ausgelöst hat. Zum Beispiel, dass das belgische Museum für Zentralafrika jetzt wenigstens einige Exponate zu den Schattenseiten von Belgiens Wirken im Kongo in seinen Ausstellungen aufgenommen hat, dieses Wirken aber nach wie vor als überwiegend positiv darstellt. Oder auch, dass ihm einerseits zahlreiche Belgier dafür dankten, sie mit diesem Teil ihrer Geschichte bekannt gemacht zu haben, andererseits aber viele, die aus dem Kongo fliehen mussten, als er unabhängig wurde, sein Buch als unwahr verunglimpften – und darin waren sie auch nicht die einzigen.

Ein konservativer belgischer Afrikanistik-Professor prophezeite laut Hochschild, dass »King Leopold’s Ghost« wenige Jahre nach seinem Erscheinen in Vergessenheit geraten würde. Stattdessen ist es heute, über fünfzehn Jahre nach seiner Veröffentlichung, immer noch eine spannend zu lesende Pflichtlektüre – eigentlich für alle.

Adam Hochschild: King Leopold’s Ghost | Englisch
PanMacmillan 1999 | Jetzt bestellen